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Tour de France: Big Brother fährt mit

Egal, wie viele Fahrer die Dopingkurve nicht mehr kratzen werden. Wichtiger ist doch, dass es die Fliehkräfte überhaupt noch gibt.

Irgendwie erinnert die Enttarnung der Dopingsünder an das mittlerweile - und vor allem: Gott sei Dank! - fast in Vergessenheit geratene Prinzip der TV-Produktion Big Brother. In Kurzform, es geht so: Die Kandidaten werden nominiert und fliegen aus dem Container. Und nun die Brücke zum Radsport: Die Fahrer werden des Dopings verdächtigt und spätestens nach der B-Probe gefeuert. Zu Recht. Anschließend gibt es entweder Tränen und zart gehauchte Reue oder eben die weitaus häufigeren Dementi: Ich? Ich doch nicht! - Schon gut, alles klar. Kein Wiedersehen erwünscht. Die Frage aber bleibt: Wer ist der Nächste? Wer wird heute, morgen oder übermorgen sein Blut wechseln oder auf sonstige illegale Weise seine Leistung steigern?

Doch weil es sich nämlich beim Doping um mehr als nur ein plumpes Katz-und-Maus-Spiel handelt, muss der Vergleich hier enden. Denn das Fernsehformat, so verachtenswert wie es ist, so nah es auch an Geschmacklosigkeit grenzt, hat einen entscheidenden Fehler nicht gemacht: Man hat den Zuschauer, die Öffentlichkeit nicht belogen und jahrelang dreist an der Nase herumgeführt. Jeder wusste, was ihn da erwartet. Nicht so beim Radsport.

Vielleicht ist die Aufregung über die diesjährige Tour de France deshalb so groß. Denn auch wenn sich niemand mehr Illusionen macht, was die dubiose und historische Verschmelzung von Radsport und Doping anbelangt - so sollte doch gerade dieses Jahr alles anders werden. Die Zeichen standen auf Versöhnung, von Neuanfang war die Rede, das Peloton wollte sich rehabilitieren. Vergeblich.

Aber immerhin, die Tour de France wird nicht plötzlich sterben, nur weil jetzt darüber diskutiert wird, ob die Schleife schon vor Paris enden soll. Es ist vielmehr die Frage nach der Enttäuschung, dem urpersönlichen Gefühl eines jeden Fans, betrogen worden zu sein, die dem Image des Radsports schadet und womöglich den Garaus macht. Dabei ist die Höhe des Schadens nicht mal relevant. Ob nun zwei oder zwanzig, letztlich ist es egal, wie viele Dopingkandidaten den Tourcontainer verlassen werden. An der nächsten Staffel wird schon fleißig gearbeitet. Die Wiederholung ist das Prinzip einer Rundfahrt. Nur gut, dass Gleiches für die Fliehkraft gilt.

Ein Kommentar von Paul Linke

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