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Drachenboote: Jagd auf dem Lotussee

Das Drachenbootrennen verkörpert den kulturellen Hintergrund der World Games. In Taiwan kehren die Boote in ihre Heimatregion zurück. Die Deutschen hat das am ersten Tag kaum Glück gebracht.

Ein dumpfes Geräusch kündigt die Drachenboote an, es kommt immer näher. Eine Trommlerin oder ein Trommler gibt von vorne den Rhythmus vor, und zwanzig Paddler stechen alle gleichzeitig ins Wasser, zwölf Männer und acht Frauen. Ganz hinten im Boot hält ein Steuermann den Kurs. So ziehen die Boote ihre Bahn auf dem Lotussee bei den World Games in Kaohsiung. Man kann sich ein solches Drachenboot auch als Schiff eines Südseevolks vorstellen, das zum Kampf aufbricht oder zur Jagd. Aber am Anfang des Drachenbootrennens stand eine Rettungsaktion.

Es ist eine Geschichte aus China, vor fast 2300 Jahren soll sich der Dichter Qu Yuan aus Kummer über Korruption im Staat und erlittenes Unrecht in einen Fluss gestürzt haben. Bürger versuchten ihn mit Booten zu retten, und wenn sie ihn nicht lebend finden würden, dann wollten sie wenigstens verhindern, dass sein Körper von den Fischen aufgefressen wird. Ihre Suche blieb ohne Erfolg. Doch sie wollten auch nach seinem Tod Gerechtigkeit herstellen und veranstalteten zu seinen Ehren jedes Jahr ein Drachenbootfest.

Soweit die Legende. Die Drachenbootfeste gibt es heute noch, in China, Hongkong, Taiwan, Anfang Juni. Bei den World Games kehren die Drachenboote also zurück in ihre Heimatregion, wie bei den Spielen vor vier Jahren in Duisburg gehören die Rennen zum Programm der Einladungssportarten. Das ist die eine Seite der World Games, Sportarten mit großem kulturellem Hintergrund zeigen zu wollen. Auf der anderen Seite versuchen die World Games immer wieder, die kleine Schwester der Olympischen Spiele zu sein, und ihr Präsident Ron Froehlich sagt: „Wir sind Steigbügelhalter für Sportarten, die von den Olympischen Sommerspielen aufgenommen werden wollen.“ Die Nachahmung der Olympischen Spiele reicht bis zum Design von Banden in Hallen und Stadien. Bei den Drachenbootrennen dagegen geht es anders zu.

Da sind die Kulisse keine Werbebanden, sondern zum Beispiel die beiden siebenstöckigen Tiger- und Drachenpagoden am Lotussee, gebaut für die wichtigsten Tierfiguren des chinesischen Kalenders. An ihnen paddeln die Boote genauso vorbei wie an der zwanzig Meter hohen farbig bemalten Figur von Chin-Shih Huang Ti, des ersten Kaisers von China, unter dessen Herrschaft 214 vor Christus die ersten Teile der chinesischen Mauer gebaut wurden. Auf dem künstlich angelegten Lotussee fanden 2006 schon Weltmeisterschaften statt. Seitdem ist er noch einmal vertieft worden. Einen passenderen Austragungsort für Drachenbootrennen kann es kaum geben, vielleicht einmal abgesehen davon, dass ein Taifun am Sonnabend ein Zelt und Stelltafeln ins Wasser wehte und den Booten vor allem den Start deutlich erschwerte.

Von einigen Traditionen haben sich die Drachenbootrennen inzwischen getrennt. Die Boote sind nicht mehr reich verziert, sondern schnittig ausgelegt. Der deutsche Bundestrainer Eckhard Leue sagt: „Das Drachenboot erreicht in etwa das Tempo eines Zweier-Canadiers.“ Die Besatzung hat sich ebenfalls verändert, der Flag Catcher ist bei den meisten internationalen Rennen nicht mehr dabei, früher hatte das Boot gewonnen, dessen Flag Catcher als erster eine Fahne von einer Boje gerissen hatte. Heute ist es einfach das Boot, das als erstes über die Ziellinie fährt.

Auch die Volksrepublik China hatte ein Boot für die Wettbewerbe in Taiwan angemeldet, aber die Sportler erschienen nicht. Das stärkste Boot bei den World Games ist das der Russen, Taiwan fährt auch vorne mit und wird über 200 Meter Zweiter. Sehr zur Freude der Zuschauer, einige hundert hatten sich während der Rennen am See versammelt.

Das deutsche Boot verpatzte den ersten Tag ein wenig, über 200 Meter wurde es Vierter, über 2000 Fünfter, da hatten sie sich mehr ausgerechnet. „Unsere Vorbereitung lief ganz gut, wir hatten uns an drei Wochenenden getroffen, um eine gemeinsame Technik und einen Rhythmus zu finden“, sagt Mannschaftsleiter Torsten Hanke. Die Bootsbesatzung haben sie aus dem Kanusport zusammengestellt, aber auch Ruderer und Schwimmer fanden den Weg ins deutsche National-Drachenboot. „Alle kommen irgendwie aus dem Wassersport“, sagt Hanke. Ihre Kräfte reichten am Sonnabend, dem zweiten Tag, noch für Platz drei über 500 Meter und Platz zwei über 1000. Den Aufdruck „Spitzenteam Deutschland“ auf ihren Trikots haben sie sich also wirklich verdient.

Friedard Teuffel[Kaohsiung]

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