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Sport: Drama unterm Korb

Bei der Basketball-WM treffen heute Russland und der Titelfavorit USA aufeinander. 1972 entwickelte sich die gleiche Begegnung zu einem olympischen Skandal

Vor 38 Jahren weinte David Blatt bitterlich, weil die amerikanischen Basketballer gegen ihren Erzrivalen verloren hatten. Heute würde Blatt wohl Freudentränen in den Augen haben, sollte es in der Sinan-Erdem-Arena von Istanbul wieder so kommen. Der 51-Jährige wurde im US-Bundesstaat Massachusetts geboren, seine Karriere als Basketballprofi und Trainer hat ihn über Israel nach Russland geführt, wo er seit 2006 als Nationalcoach arbeitet. Am heutigen Donnerstag trifft Blatt mit seiner Mannschaft im WM-Viertelfinale auf sein Heimatland USA (17 Uhr, live bei Sport1). „Für mich schließt sich ein Kreis“, sagt Blatt.

Gegen die Amerikaner, die bisher bei der WM überzeugt haben und im Achtelfinale Angola mit 121:66 wegfegten, ist Blatts junges Team nur Außenseiter. Etwas Besonderes sind Basketballspiele zwischen den beiden Weltmächten aber immer, spätestens seit dem 9. September 1972 – dem Tag, an dem der 13-jährige David Blatt weinte. Im olympischen Finale von München standen sich damals eine College-Auswahl aus den USA und die Staatsamateure der Sowjetunion gegenüber. Die Amerikaner hatten bis dahin von 63 Partien bei Olympischen Spielen keine einzige verloren – und bis drei Sekunden vor Ende des Endspiels sah es auch so aus, als würden sie ihre achte Goldmedaille infolge gewinnen. Dann geschah allerdings das, was im US-Sport immer noch als größte Ungerechtigkeit der Geschichte und Fortsetzung des Kalten Kriegs unter den Körben angesehen wird.

Die USA hatten gerade die 50:49-Führung erzielt, danach vergab die UdSSR scheinbar die Chance zum Ausgleich. Doch es hatte ein Missverständnis zwischen dem Kampfgericht und dem russischen Team gegeben, das zuvor eine Auszeit verlangt hatte. Die Russen bekamen eine zweite Chance – und trafen wieder nicht, die amerikanischen Spieler stürmten jubelnd aufs Feld. Doch es hatte einen Fehler bei der Zeitnahme gegeben, Russland bekam nach minutenlangem Chaos abermals den Ball. Ein Pass über das ganze Feld fand Alexander Below unter dem amerikanischen Korb, der mit der Schlusssirene zum russischen 51:50-Sieg traf.

Anders als die meisten amerikanischen Basketballfans hat David Blatt mittlerweile seinen Frieden mit dem Skandalspiel gemacht. „Als Amerikaner hasse ich, das zu sagen: Aber es sieht so aus, als seien die Russen im Recht gewesen“, sagt Blatt heute. „Das amerikanische Team wurde nicht betrogen.“ 1972 sahen die Amerikaner das anders: Sie erhoben erfolglos Protest, boykottierten die Siegerehrung und verzichteten auf ihre Silbermedaillen. Einige Spieler verboten ihren Familien später sogar testamentarisch, die Medaille jemals anzunehmen.

Als russischer Trainer sieht Blatt dem Aufeinandertreffen nun mit gemischten Gefühlen entgegen . „Ich hätte lieber nicht gegen sie gespielt“, sagt er über die amerikanischen NBA-Profis. „Auf dem Papier können wir nicht mithalten. Aber wir haben hier schon einige Leute überrascht.“

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