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Sport: Duell ohne Waffe

Biathlet Greis hat sich mehr Freiräume erkämpft

Berlin - Über seine Augenoperation redet Michael Greis gerne. Der Biathlon-Olympiasieger erzählt von der „immer leicht trüben Sicht mit Kontaktlinsen“. Nach dem Lasern der Hornhautverkrümmung seien die Kontraste besser, „ich muss mich nicht mehr aufs Sehen konzentrieren“. Für jemanden, zu dessen Aufgaben es gehört, 50 Meter entfernte Scheiben zu treffen, kein unwesentlicher Punkt. Doch entscheidend in der Vorbereitung auf den Weltcupauftakt über 20 Kilometer heute in Östersund (17.15 Uhr, live in der ARD) waren nicht die Augen, sondern Greis’ kritischer Geist - und darüber spricht er nicht mehr so gerne. Sonst werde alles auf ein Duell Greis gegen Ullrich reduziert, dabei „ist jetzt alles o.k.“, sagt die 32-jährige Führungsfigur.

Greis, der bei der WM 2008 ohne Einzelmedaille blieb, hat Bundestrainer Frank Ullrich im Sommer im ZDF einen autoritären Führungsstil vorgeworfen und auf mehr Eigenständigkeit gepocht. „Ich habe gewisse Freiräume gekriegt“, sagt der Gesamtweltcup-Vierte der Vorsaison, der wie auch Andreas Birnbacher in Ruhpolding unter Remo Krug trainiert. Ullrich hingegen gehört der Oberhof-Fraktion an, dem zweiten Biathlon-Stützpunkt. Dass Greis eigene Wege geht, so wie vor ihm schon Ricco Groß, ist nicht neu, auch wenn er in diesem Jahr noch weniger als bisher mit Ullrichs Kader trainiert hat. „Es war auch keine neue Situation im Umgang miteinander“, sagt Ullrich, „unterschiedliche Meinungen sind normal. Dass es nach außen gedrungen ist, ist neu.“ Stefan Schwarzbach, der Sprecher der deutschen Biathleten, formuliert es drastischer: „Es hat gekracht, da gab es eine emotionale Komponente.“

Greis ist im Allgäu aufgewachsen und hat sich früh über Trainingsdetails Gedanken gemacht. Er sieht sich als mündiger Athlet, der selbst am besten weiß, wie er seine Höchstform erreicht. Ullrich hingegen, der im Sportsystem der DDR Weltmeister wurde, legt Wert auf Regeln und Vorschriften.

Nachdem beim gemeinsamen Abschlusslehrgang am Polarkreis individuelle Elemente in Ullrichs Trainingsplan integriert wurden, sagt Greis: „Das Verhältnis zu Ullrich ist besser als zuvor.“ Ullrich, der nach Olympia 2010 zurücktreten will, sieht sich in dem Streit nicht als Verlierer: „Dass der Trainingsälteste, der immer gut trainiert, eigene Vorstellungen hat, ist legitim. Das ist jetzt in eine andere Dimension gerutscht.“ Er fügt hinzu: „Wir haben gemeinsame Ziele.“ Ohne Erfolg geht das Duell ohne Waffen bald in die nächste Runde.

Helen Ruwald

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