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Sport: Ein bisschen blöde

Rudi Völler kann nicht verstehen, warum sein Team gegen untrainierte Italiener nicht gewinnen kann

Stuttgart. Die Wasserflasche musste leiden. Oliver Kahn schleuderte sie 30 Meter weit. Das Besondere daran war, dass ihre Flugbahn einen hohen Bogen über das Tor hinweg beschrieb. Natürlich fragten sich da die Beobachter dieser bedeutungsschwangeren Szene: Wollte Kahn das Tor nun treffen, oder hat er es mit Absicht verfehlt? Ein Wurf mit Symbolik also, weil ja auch die deutschen Spieler das Tor nicht trafen.

„Bei den Italienern geht das zapp-zapp, und der Ball ist drin. Und wir haben 300 Chancen und schießen kein Tor“, sagte Kahn und lieferte gleich den Grund seiner inneren Aufgewühltheit nach der 0:1-Niederlage in Stuttgart gegen Italien. „Ich spiele Fußball, um zu gewinnen. Und wir hätten heute gewinnen müssen. Aber langsam ist es bitter, richtig bitter.“

Seit drei Jahren hat eine deutsche Fußballnationalmannschaft nicht mehr gegen ein Team aus den Top Ten der Weltrangliste gewonnen. Was selbst Franz Beckenbauer aufgefallen war: „Schade, dass wir den Makel, gegen große Mannschaften nicht mehr gewinnen zu können, heute nicht losgeworden sind. Aber ich habe noch nie erlebt, dass eine deutsche Mannschaft so viele Chancen gegen eine italienische herausspielt hat.“

Womit man beim offensichtlichsten Problem des deutschen Fußballs wäre: Das Land verfügt nicht über Stürmer von jener Klasse, wie sie Frankreich, Holland, Spanien, Argentinien, Brasilien oder eben Italien haben. Genau gegen diese Mannschaften spielten die Deutschen in den vergangenen drei Jahren eigentlich immer recht gut mit, nur reichte es eben nicht zu einem Sieg.

Umständlich und mutlos

Traumkombinationen, wie die zwischen Del Piero, Totti und Vieri, die zum 1:0 und fünf Minuten später in umgekehrter Reihenfolge zum 2:0 (das fälschlicherweise wegen Abseits nicht gegeben wurde) führten, wird es im deutschen Sturm nicht geben. Es fehlt einfach an individueller Klasse. Fredi Bobic etwa brachte den Ball schon bei der Annahme nicht unter Kontrolle. Der 31-Jährige konnte ebenso wenig für Gefahr vor dem Tor von Gianluigi Buffon sorgen wie Oliver Neuville. Erst als Miroslav Klose nach einer Stunde und später Benjamin Lauth ins Spiel kamen, musste der italienische Torwart eingreifen. Klose scheiterte gleich dreimal, Lauth, Bernd Schneider und Tobias Rau jeweils einmal. Jens Jeremies traf immerhin den Pfosten.

Das ist „ein bisschen blöde, dass wir dieses Spiel nicht gewonnen haben“, sagte Teamchef Rudi Völler. Beim Gegentor sprach er von fehlender Abgeklärtheit bei seinen Verteidigern. „In einer solchen Situation hätten die Italiener sofort auf Foul gespielt.“ Angesprochen fühlen durfte sich Andreas Hinkel. Der 21-jährige Debütant aus Stuttgart hatte den Ball in die Füße Del Pieros gespielt und ihn dann freundschaftlich in den deutschen Strafraum begleitet.

Das Spiel der Deutschen war in der ersten Halbzeit umständlich und mutlos. Für beides stand im negativen Sinne Carsten Ramelow, und das auf einer der wichtigsten Positionen, im zentralen, defensiven Mittelfeld. Hier müssen Angriffe des Gegners abgefangen und in kürzester Zeit eigene Gegenangriffe eingeleitet und kreiert werden. Das Spiel des Leverkuseners war geprägt von Zappeligkeit und gedanklicher Langsamkeit. Nichts deutete bei ihm und einigen seiner Mitspieler darauf hin, dass sie noch vor einem Jahr im WM-Finale standen.

Bis heute aber bleibt eine Frage ungeklärt: Wie stark waren die Deutschen in Asien wirklich? Dort wurden Saudi-Arabien, Kamerun, Irland, Paraguay, die USA und Südkorea – ausschließlich Gegner zweiter Klasse – bezwungen. Gegen andere Teams, stärkere, wie das italienische, reicht die Asien-Form anscheinend nicht aus.

Giovanni Trapattoni hatte erst Vieri, Totti und Del Piero vom Feld holen müssen, damit die Deutschen Mut bekamen. „Wenn diese Spieler nicht mehr auf dem Platz stehen, ist der Unterschied nicht mehr so groß“, sagte Völler in beeindruckender Offenheit. Und sein italienische Kollege fand: „Deutschland hatte in der zweiten Halbzeit den Ausgleich verdient gehabt. In dieser Phase haben uns die Kräfte gefehlt. Die Saison beginnt ja in Italien erst Anfang September.“

Dann werden die Deutschen in der EM-Qualifikation gefordert sein. Erst in Island, beim neuen Tabellenführer dieser Qualifikationsgruppe, vier Tage später in Dortmund gegen Schottland. Gegen Mannschaften dieser Qualität gelangen dem DFB-Team bisher mühevolle Siege (2:1 und 2:0 über Färöer, 2:0 über Litauen) oder Unentschieden (1:1 jeweils gegen Litauen und Schottland).

„Heute wäre Italien zu schlagen gewesen“, sagte Jeremies. Und er blickte voraus: „Island wird in zwei Wochen schwerer werden. Da muss jeder von uns sehen, wie er damit klarkommt.“ Und Oliver Kahn stellte schon mal klar: „Ich habe keine Lust auf ein solches Debakel wie bei der EM vor drei Jahren.“

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