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Sport: Ein Formel-1-Star macht den Führerschein

Für sein heutiges Debüt im Tourenwagen muss Ralf Schumacher das Autofahren neu lernen

Berlin - Angenommen, Sie wären Formel-1-Fahrer. Sie verdienen gutes Geld und fahren ganz gut, aber eines Tages müssen Sie sich eingestehen, dass es nicht mehr reicht. Sie haben ihre Lust am schnellen Autofahren noch nicht verloren und zudem gar nichts anderes gelernt, also schauen Sie sich nach Alternativen um. Und da ist sie: die DTM. Kann doch nicht so schwer sein, denken Sie, ist ja schließlich nur Tourenwagensport. Da fahre ich noch ein bisschen mit, lasse mich feiern und hole mir noch ein wenig Geld und den einen oder anderen Sieg. Klingt doch ganz gut, oder? Das dachte Ralf Schumacher auch.

Der Rennfahrer wird am Sonntag beim Saisonauftakt in Hockenheim (14 Uhr, live auf ARD) im Alter von 32 Jahren sein Debüt im Deutschen Tourenwagen-Masters geben. 180 Rennen lang war er zuvor in der Formel 1 unterwegs gewesen, mit achtbarem Erfolg – auch wenn seine sechs Siege im Vergleich zur Bilanz seines Bruders Michael eher bescheiden wirken, sind sie doch die zweitmeisten eines deutschen Piloten. Am Ende der vergangenen Saison jedoch setzte ihn der Rennstall Toyota vor die Tür, und auch alle anderen Formel-1-Pforten, an die Schumacher klopfte, blieben verschlossen.

Ein riesiges, einladendes Portal fand der Kerpener dagegen vor dem Haus der DTM. Die beliebte, wenngleich wegen ihrer sportlichen Qualität bisweilen belächelte Rennserie versucht seit einiger Zeit, ihren Rennsportwert durch die Verpflichtung alter Formel-1-Haudegen zu mehren. Bei Mika Häkkinen und Jean Alesi klappte das einst ganz gut – mit Heinz-Harald Frentzen weniger –, aber Schumachers Ankunft hat eine andere Qualität. Er musste nicht aus dem Ruhestand geholt werden, sondern stieg direkt aus dem Grand-Prix-Boliden in den DTM-Mercedes. „Es ist gut, dass Ralf direkt aus der Formel 1 zu uns gekommen ist“, sagt Mattias Ekström. Der Schwede ist der Titelverteidiger, und er weiß, dass ein noch aktiver Formel-1-Star der Meisterschaft deutlich mehr Glanz verleiht.

Gut möglich allerdings, dass der Imagegewinn für die Serie einhergeht mit einem weiteren Imageverlust für Schumacher. Nicht nur Ekström prophezeit ihm eine schwierige Saison: „Die DTM ist etwas Besonderes und nicht leicht zu lernen.“ Auch Michael Schumacher hatte seinen Bruder zuvor gewarnt, für das Fahren in Tourenwagen hätte die Familie kein Talent. In der Tat: Die ständigen Rad-an-Rad-Duelle, bei denen Berührungen zum guten Ton gehören, die unglaubliche Ausgeglichenheit des Feldes, in dem schon ein paar Hunderstelsekunden mehrere Plätze voneinander trennen – das alles ist eine völlig andere Welt. Das hat inzwischen auch Schumacher erfahren. „Es ist vielleicht keine andere Sportart, aber es ist alles komplett neu für mich“, sagt der Deutsche. Nun lernt der Mann, der Millionen mit dem Rasen verdient hat, das Autofahren neu. „Ich muss alles von der Pike auf umstellen. Man bremst anders, man lenkt anders in die Kurven ein, man muss präziser fahren.“

So erscheint es durchaus angebracht, die erste Saison für das Fahren unter geschlossenem Dach als „Lehrjahr“ auszugeben. Schon nach seinen Probefahrten war Schumacher die Erkenntnis gedämmert, dass er in der DTM „ganz bestimmt nicht zu den Favoriten“ gehört. Ob er es jemals werden kann, will er so schnell wie möglich herausfinden: „Die ersten ein, zwei Rennen werden eine Standortbestimmung sein.“ Die erste Einordnung fiel dabei vergleichsweise ernüchternd aus: In den beiden freien Trainings kam Schumacher im Vorjahres-Mercedes lediglich auf die Plätze 15 und 17, gestern beim Qualifikationstraining spürte er ebenfalls seine Grenzen. Das Rennen heute startet er von der 15. Position. „Ich hoffe natürlich, dass es im Laufe der Saison besser wird“, sagt Schumacher. „Mitte oder Ende des Jahres werden wir sehen, ob Michael recht hat.“

Für den Fall, dass sein Bruder ein weiteres Mal triumphieren sollte, hat sich Schumacher diesmal eine Tür offengehalten. Es ist der Notausgang: „Wenn sich mal herausstellen sollte, dass ich eine Sekunde hinterher fahre, dann würde es keinen Sinn machen, weiter zu fahren.“

Christian Hönicke

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