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Sport: Ein Klub spart sich nach oben

Wenig Geld, viele Ideen: Die Stuttgarter Kickers erleben einen Aufschwung

Die ganze Stadt hängt voll mit ihren Plakaten, auf denen das blaue Emblem der Stuttgarter Kickers leuchtet. „Her tha mit“ heißt es in großen Buchstaben daneben. Sie sind wieder da, zumindest in Stuttgart, weil sich der Bundesligaklub VfB Stuttgart, der sonst alles fest im Griff hat, in einer Umbruchphase befindet. Seit dem überraschenden 4:3-Sieg über den Hamburger SV in der ersten Runde des DFB-Pokals schätzt man den Regionalligaklub Kickers wieder. „Fisch-Besteck“ hieß es damals, vor dem Spiel gegen den HSV, auf den Postern. Jetzt ist Hertha BSC aus Berlin (am Mittwoch um 20 Uhr) dran, so suggeriert es das selbstbewusste, etwas umformulierte und fast ungeduldig wirkende Her damit. Als könnten sie es kaum abwarten, den nächsten Großen kräftig zu ärgern.

Die Kickers haben reichlich Nachholbedarf. Und vor allem deshalb wird in diesen Tagen kräftig an die große Zeit der Blauen erinnert: an das Pokalfinale 1987, als die Schwaben dem Hamburger SV 1:3 unterlagen. Oder an die beiden Spielzeiten in der Bundesliga. 1988 und 1991 stiegen die Kickers in die Bundesliga auf – und gleich im nächsten Jahr jeweils wieder ab.

Auf dem schmucken, fast idyllisch anmutenden Vereinsgelände, das direkt unter dem Stuttgarter Fernsehturm liegt, steht Robin Dutt, der Trainer der Kickers und so etwas wie der Star des Klubs. Seit Wolfgang Wolf, der zwischen 1994 und 1998 Trainer war, ist er der erste Coach, der 100 Spiele überstand, der siebte in der Vereinsgeschichte überhaupt. Es ging turbulent zu im Verein, in dem einst Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald und Fredi Bobic spielten. Hannover 96 wollte ihn im September holen. Die Niedersachsen luden den 41-jährigen Dutt zu Gesprächen ein. Er sagte seinem Präsidenten Hans Kullen Bescheid und fuhr nach Hannover, obwohl er wusste, dass er nicht die erste Wahl war, sondern Dieter Hecking ganz oben auf der Liste der Hannoveraner stand. In Stuttgart haben sich trotzdem einige richtig erschrocken, als der Abgang des erfolgreichen Trainers drohte. Dutt kam wieder, hatte seinen Bekanntheitsgrad noch einmal gesteigert und sagte: „Ich bin hier nicht der Alleinunterhalter, es gibt viele, die dazu beigetragen, dass dieser Klub wieder atmen kann.“

Verschwunden waren die Kickers aus der öffentlichen Wahrnehmung, die Insolvenz drohte und so ziemlich alles lag am Boden. Axel Dünnwald-Metzler trat nach 24 Jahren an der Klubspitze aus gesundheitlichen Gründen im Juli 2003 zurück. Der Präsident hatte Millionen in den Verein gepumpt, man kann auch sagen: Dünnwald-Metzler war die Kickers.

Sein Nachfolger Hans Kullen musste sparen. Das, so heißt es in vielen Klischees, könnten die Schwaben besonders gut. Kullen aber musste so kräftig sparen, dass es schon schmerzte. Die Stadt Stuttgart kaufte den ADM-Sportpark und bewahrte die Kickers vor dem Aus. Ein Namenssponsor wurde für das Stadion gefunden: Im Juli 2004 wurden die Namensrechte des Stadions für zehn Jahre an den deutsch-türkischen Hauptsponsor Gazi, einem Hersteller von Milchprodukten, verkauft. Der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, Eduardo Garcia, ein Stuttgarter mit spanischem Vater, engagiert sich mit viel Geld im Nachwuchs.

Der Etat der Profis beträgt nur 2,2 Millionen Euro im Jahr, ein Minietat in der Regionalliga, aber der Verein hat Robin Dutt. Der ist modern in der Trainingsarbeit, er findet die richtige Mischung aus Autorität und Nähe zu den Spielern und war zudem Jahrgangsbester des Trainerlehrgangs, in dem auch Jürgen Klopp, der Trainer von Mainz 05, saß.

Das Thema Aufstieg wird allerdings bei den Kickers noch nicht groß geschrieben, denn die Konkurrenz in der Regionalliga ist finanziell besser gestellt – wie etwa die TSG Hoffenheim, die mit den Millionen des SAP-Mitgründers Dietmar Hopp einen teuren Trainerstab um Ralf Rangnick und eine teure Mannschaft beschäftigt. Immerhin: Durch das Pokalspiel gegen Hertha kommen die Kickers jetzt wieder ins Fernsehen. Und, was noch viel wichtiger erscheint, die zweite Pokalrunde bringt 110 000 Euro in die Kasse.

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