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Sport: Ein unerwünschter Gast

Die Fifa weiht ihre neue Zentrale in Zürich ein – aber der Schotte McBeth wird heimgeschickt

Joseph Blatter wäre wohl nicht seit neun Jahren Präsident der Fifa, wenn er nicht jeden negativen Umstand als einen für ihn glücklichen nutzen könnte. In der ihm eigenen Kunst des Positivismus deutete der Chef des Fußball-Weltverbandes sogar den Dauerregen, der am Dienstag über Zürich niederging, zum Geschenk um. „Der Himmel ist zu Tränen gerührt“, rief Blatter in einem auf dem Zürichberg errichteten Festzelt aus, und die vor ihm versammelte, in dunkelblauen Fifa-Anzügen steckende Fußball-Funktionärsfamilie applaudierte, selbstverständlich gerührt. Denn gab es nicht genügend Grund, um stolz zu sein an diesem Tag? Mit persönlich angefertigten Fußballwimpeln, internationaler Blasmusik und einem Kinder-Fußballturnier feierte Blatter die Einweihung der prunkvollen Fifa-Zentrale. Im neuen Palast aus Marmor, Aluminium und Glas hat das als gemeinnütziger Verein eingetragene Millionenunternehmen Fifa für jeden sichtbar an nichts gespart. Wie berichtet, kostet allein der Kronleuchter im Sitzungssaal nicht weniger als 200 000 Euro.

„Viele sagen, das ist ein Palast“, beugte Joseph Blatter kritischen Nachfragen vor. „Aber es ist eben ein Gebäude, in dem wir leben möchten.“ So schnell ziehe ich hier nicht aus, wollte Blatter wohl damit sagen. Er hat sein Büro mit einem System gesichert, das seinen Fingerabdruck erkennt. Und unliebsame Gäste, das war der Subtext, den Blatter nicht auszusprechen brauchte, sind hier nicht willkommen. Gäste wie John McBeth zum Beispiel.

Der Funktionär aus Schottland musste wieder abreisen, bevor es überhaupt losging. Während Blatters Blaskapelle die alte Monty-Python-Hymne „Always look on the bright side of life“ intonierte, checkte McBeth auf dem Züricher Flughafen für seine Heimreise ein. So funktioniert wohl britische Ironie, denn eigentlich sollte Schottlands langjähriger Verbandschef am Donnerstag zu einem von Blatters Vizepräsidenten gewählt werden. Die vier britischen Verbände hatten ihn für den ihnen zustehenden Posten nominiert – nach McBeths Worten übrigens, „weil alle Welt die Engländer hasst“. Der Schotte hatte allerdings vor seinem Abflug nach Zürich nicht nur über seine Nachbarn gelästert, sondern auch allzu offen darüber räsoniert, was ihn wohl in Zürich erwartet: „Leute, die nicht über jeden Zweifel erhaben sind.“ Namentlich benannte McBeth den Fifa-Vizepräsidenten Jack Warner aus Trinidad und Tobago, der Blatter stets in Treue verbunden ist, aber vor der WM 2006 über das Reisebüro seiner Familie überteuerte WM-Tickets angeboten hatte. Blatter selbst wurde von McBeth nicht weniger zurückhaltend als „tricky customer“ betitelt, als trickreicher Geselle also.

McBeths Resümee kam aus Blatters Sicht wohl dem Königsmord eines gewissen Macbeth gefährlich nahe. Denn der Schotte stellte fest: „Wenn ich meinem neuen Kollegen in Zürich die Hand gebe, muss ich hinterher meine Finger zählen.“

In der neuen Fifa-Machtzentrale brach nach Bekanntwerden der Äußerungen, die der schottische Verband nicht zu dementieren gedachte, Hektik aus. Joseph Blatter und sein Generalsekretär Urs Linsi beriefen ein Krisengespräch ein, das Exekutivkomitee beauftragte beide, McBeth einzuvernehmen, berichteten Fifa-Kreise am Dienstag. Das Ergebnis: Die Ethikkommission der Fifa, die sich bei Warners Geldgeschäften nur zu einer Rüge durchgerungen hatte, wird nun den Fall von Königsbeleidigung untersuchen. „Bis dahin bleibt die Vizepräsidentschaft der britischen Verbände im Fifa-Exekutivkomitee vakant“, teilte die Fifa erst einmal mit. Zudem werde McBeth „an den Fifa-Veranstaltungen in dieser Woche nicht teilnehmen“. Ob er das neue Gebäude überhaupt jemals wieder betreten darf, vermochte am Dienstag niemand in Zürich zu sagen.

Die Botschaft eines irgendwie Fifa-typischen Tages voller Feierstunden und Machtkämpfe kam indes bei allen Gästen im Festzelt schnell an: Joseph Blatter ist ein Machtpolitiker, der keine Kritik duldet – sonst wäre er wohl auch nicht seit neun Jahren Fifa-Präsident. Am Donnerstag stellt sich der 71-Jährige für weitere vier Jahre zur Wahl. Ein Gegenkandidat hat sich übrigens nicht gefunden in seiner Fußball-Funktionärsfamilie.

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