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Sport: Ein ungleiches Doppel

Navratilova ist 46, Kuznetsowa 17 – sie spielen zusammen erfolgreich Tennis

Berlin. Die Vergangenheit trägt ein ärmelloses türkis-fliederfarbenes Top mit gleichfarbigen Shorts und hat die Kappe verkehrt herum auf dem Kopf, wie kleine Jungs es tun, die besonders cool sein wollen. Die Zukunft trägt ein rotes Oberteil mit Ärmeln und ein weißes Röckchen. Die Schirmmütze guckt ordentlich nach vorn. Die Zukunft sieht eher so aus, wie man sich eine Tennisspielerin auf dem Centre Court bei den German Open vorstellt. Vielleicht ist die Vergangenheit so schrill und auffallend gekleidet, um auch optisch klarzustellen, dass sie noch eine Existenzberechtigung hat. Die Vergangenheit heißt Martina Navratilova, ist 46 Jahre alt und hat in ihrer Karriere 167 Einzel- und 166 Doppeltitel auf der WTA-Tour gewonnen. Den ersten Doppeltitel bei einem Grand Slam Turnier errang sie 1975 an der Seite von Chris Evert bei den French Open - zehn Jahre, bevor die Zukunft geboren wurde. Sie heißt Swetlana Kuznetsowa, ist 17 Jahre alt, Jugendweltmeisterin von 2001 und kann auf zwei Einzel- und fünf Doppeltitel bei den Damen verweisen.

Vergangenheit plus Zukunft ergibt eine erfolgreiche Gegenwart. Gemeinsam gewann das russisch/amerikanische Doppel Anfang des Jahres an der australischen Gold Coast und in Dubai. Auch beim ersten Auftritt am Montagabend in Berlin waren die beiden erfolgreich und schlugen Marion Bartoli/Marissa Irvin in einer Stunde Spielzeit 6:3, 6:1.

Wenn eine 17-Jährige mit einer 46-Jährigen spielt, muss die Junge da nicht doppelt soviel rennen, weil die Alte sich vergleichsweise lahm über den Platz schleppt? Muss nicht sein. Die Vergangenheit ist nämlich behende und flink, die Gegenwart wirkt daneben fast pummelig. Das junge Mädchen ist einen Zentimeter größer (1,74 Meter) als die Grande Dame des Tennis, aber acht Kilo schwerer. 73 Kilo wiegt sie, Navratilova 65.

Die eine will die Welt erobern, die andere will Vergangenes bewahren. Vielleicht auch deshalb bot Navratilova, die vor zwei Jahren den Rücktritt vom Rücktritt erklärte („Alter ist nur eine Zahl“), der 29 Jahre jüngeren Kollegin gemeinsame Doppelauftritte an. Kuznetsowa, die in Barcelona in der Tennisschule des früheren Doppel-Spezialisten Emilio Sanchez trainiert, gewann 2002 an der Seite von dessen Schwester Arantxa Sanchez-Vicario drei Titel, beim Turnier in Rom besiegten die Beiden Navratilova und Serena Williams. Als Sanchez-Vicario ihre Karriere beendete, reagierte Navratilova sofort. „Ich hätte Swetlana lieber auf meiner Seite des Netzes“, wird sie zitiert. Von der Zukunft will sich eine Navratilova nicht schlagen lassen. Jedenfalls noch nicht.

„Sie hat eine Million Mal mehr Erfahrung als ich“, sagte Swetlana Kuznetsowa zum Beginn der Zusammenarbeit. Doch vor einer ob ihrer Fehler nörgelnden Partnerin muss sie sich nicht fürchten. Wenn Kuznetsowa beim Aufschlag steht, flitzt Navratilova vom Netz zurück und gibt ihr noch schnell einen Tipp.

Kuznetsowa ist mit sich und dem Match beschäftigt, Navratilova hat Zeit für Show. Einmal spielt sie den Ball durch die Beine zurück, einmal ruft sie auf deutsch „Gesundheit“ ins Publikum, als ein Zuschauer niest.

Kuznetsowa ist gut, aber sie ist Staffage. Da fügt es sich wunderbar, dass der Matchpunkt am Montag Navratilova vorbehalten ist. Anschließend gibt sie Autogramme, ihre Mitspielerin hält sich an ihrer Sporttasche fest und nähert sich nur zögernd den Fans. Dann verschwindet sie in den Katakomben. Navratilova bleibt noch auf dem Court. Die Zukunft hat bei den Fans noch keine Chance.

Helen Ruwald

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