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Sport: „Ein Verdacht genügt nicht“

Vor dem Istaf am Sonntag im Olympiastadion: Gesellschafter Gerhard Janetzky über die Einladung von dopingbelasteten Athleten und die kurzfristige Absage von Marion Jones

Bei den Olympischen Spielen sind allein in der Leichtathletik sieben Dopingsünder aufgeflogen. Was ging Ihnen beim Gedanken ans Istaf durch den Kopf, als Sie diese Bilanz gehört haben?

Wir haben schon vor Athen eine klare Position bezogen. Athleten, die gesperrt sind, starten nicht beim Istaf. In Athen haben sich Athleten vor den Augen der Weltöffentlichkeit um Dopingproben gedrückt, zum Beispiel die griechischen SprintStars Kostas Kenteris und Ekaterini Thanou. Die beiden wurden dem Istaf angeboten. Eine Verpflichtung aber hätte nicht zu unserem Sport gepasst.

Hätten Sie auf Kenteris auch verzichtet, wenn er 200-m-Olympiasieger geworden wäre? Immerhin steht er seit Jahren im Verdacht, sich um Tests zu drücken.

Wir als Meeting-Veranstalter haben generell den Vorteil, dass wir Athleten einladen können. Wir müssen uns also nicht an die gleichen Pflichten wie der Weltverband IAAF halten. Und deshalb lehnen wir Athleten aus zwei Gründen ab: erstens, wenn sie gesperrt sind, zweitens, wenn sie nachweislich zweimal Dopingtests versäumt haben. Letzteres ist bei Kenteris der Fall. Deshalb hätten wir ihn auch nicht verpflichtet, wenn er Olympiasieger geworden wäre.

Und Fani Halkia, die griechische Olympiasiegerin über 400 m Hürden, die aufgrund ihrer enormen Leistungssteigerung unter größtem Dopingverdacht steht, darf starten, weil bei ihr formal diese beiden Gründe nicht vorliegen.

Sie hat alle Auflagen erfüllt. Natürlich liegt bei ihr ein Dopingverdacht vor, vielleicht sogar stärker als bei Marion Jones. Trotzdem hat man ihr nichts nachweisen können. Wir haben über 400 m der Frauen mit Tonique Williams-Darling eine Jackpot-Anwärterin, für sie möchten wir ein starkes Feld aufbieten.

In Zürich und Bergen wurde Marion Jones nicht eingeladen. Sie verpflichten die dreimalige Olympiasiegerin von Sydney, obwohl sie laut Unterlagen bei dem Dopinghersteller Balco eingekauft hat. Jetzt hat sie wegen Rückenbeschwerden kurzfristig abgesagt. Sind Sie traurig oder erleichtert?

Natürlich bin ich traurig, auch wenn es um sie Diskussionen gab. Aber bei Marion Jones ist der Fall komplizierter als bei anderen. Sie ist zwar bei keinem der bisherigen Golden-League-Meetings am Start gewesen, aber das hat Gründe. In Bergen und in Zürich hat man wegen des Dopingverdachts Abstand von einer Verpflichtung genommen. Zu den Meetings in Rom und in Paris war sie dagegen eingeladen. Sie konnte aber wegen der US-Trials nicht starten. Wir werden das Thema bei der nächsten Sitzung der Meeting-Direktoren aufgreifen.

War Marion Jones’ Verpflichtung nicht vor allem deshalb geplant, weil ihr Name Zuschauer angelockt hätte?

Nein, so einfach kann man das nicht sehen. Schauen Sie sich Fani Halkia an. Die haben wir verpflichtet, obwohl sie Fragen aufwirft, und sie ist nicht so bekannt wie Marion Jones. Wegen ihr bekommen wir nicht viele zusätzliche Zuschauer.

Können Sie nicht einfach sagen: Wir verzichten auf Leute, die zwar formal nicht gesperrt sind, aber unter größtem Dopingverdacht stehen?

Bis jetzt sieht die IAAF nur die positive Probe als Ausschlusskriterium. Jetzt müssen wir uns mit Indizien befassen, so wie es in normalen Gerichtsverfahren der Fall ist. Dass Marion Jones bei der Firma Balco eingekauft haben soll, legt zwar den Verdacht auf Manipulation nahe, aber es ist nur ein Verdacht, kein Beweis.

Im Alltag bewertet jetzt ein Gericht diese Indizien …

Aber das gibt es im Sport nicht. Es gibt keinen Verteidiger, keinen Staatsanwalt, keine Jury. Wir müssen abwarten, wie der Weltverband mit der Bewertung von Indizien umgeht. Ich würde generell derzeit für keinen Athleten die Hände ins Feuer legen. Der eine ist bestimmt auffälliger als der andere, aber trotzdem müssen die Regeln für alle gleich sein.

Das Gespräch führte Frank Bachner.

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