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Sport: Eine schrecklich erfolgreiche Familie

Springreiterin Meredith Michaels-Beerbaum gewinnt beim CHI den Großen Preis von Deutschland

Berlin. Was sind schon Dallas oder der Denver Clan im Fernsehen, wenn die heißesten Familienduelle in der Wirklichkeit viel besser zu beobachten sind. Zum Beispiel beim internationalen Reitturnier CHI Berlin. In den Messehallen unter dem Funkturm fügten Ludger Beerbaum, sein Bruder Markus und dessen Frau Meredith Michaels-Beerbaum ihrer immer wieder interessanten Familienstory ein neues, spannendes Kapitel hinzu. Begonnen hatte die neue Episode der drei Springreiter am Samstag, als Markus Beerbaum seinem Bruder im Stechen um das Audi-Championat ein 72 000 Euro teures Auto wegschnappen konnte. Doch am Sonntag ging es erst richtig los.

Alle drei Familienmitglieder stehen unter den besten 20 Reitern der Weltrangliste und treffen sich regelmäßig bei großen Turnieren. Vielleicht wäre das Duell zwischen dem Ehepaar und dem Weltranglisten-Ersten ja schnell wieder ausgeglichen gewesen, wenn Meredith ihren Schwager im Stechen um den Großen Preis von Deutschland hätte gewinnen lassen. Doch dann wiederholte sich die Dramatik vom Vortag auch im wichtigsten Wettbewerb des CHI. Wie schon am Vortag hatte Ludger Beerbaum in der Siegerrunde eine glänzende Zeit vorgelegt. Doch die kleine blonde Frau nutzte ihre Chance als letzte Starterin des gesamten Turniers und unterbot mit einem furiosen Ritt die Zeit des vierfachen Olympiasiegers.

Neben 20 000 Euro für die Familienkasse konnte sich die gebürtige Amerikanerin mit deutschem Pass auch noch 20 Punkte für ihr Weltcupkonto gutschreiben. Nach der fünften Weltcup-Station führt sie nun die Wertung mit 45 Punkten vor Ludger Beerbaum, der zwei Zähler weniger hat, an. Für die 32-Jährige ist der Sieg schon ein großer Schritt in Richtung Weltcup-Finale in Las Vegas. Verständlich, dass sie den erst zweiten Sieg einer Reiterin beim Großen Preis von Deutschland ausgelassen feierte. Sie stand schon kurz nach dem letzten Hindernis in ihrem Sattel und klopfte ihrem neunjährigen Wallach Shutterfly immer wieder begeistert auf den Hals.

Die Feierstimmung seiner Schwägerin mochte Ludger Beerbaum nicht so richtig teilen. Für alle Zuschauer sichtbar ärgerte ihn der entgangene Sieg – obwohl er in der Familie blieb. Oder gerade deshalb. Der Reiter des Jahres verzog jedenfalls keine Miene, als er seine Schwägerin kurz nach ihrem Ritt beim Fernsehinterview das erste Mal traf. Mit trauriger Miene stand er neben ihr und sparte sich die Glückwünsche für später auf. Selbst langjährige Beobachter nahmen das Verhalten Beerbaums mit Erstaunen auf.

Erst als beide auf der Pressekonferenz auftauchten, schien der Familienfrieden wieder hergestellt. Meredith Michaels-Beerbaum hatte für den älteren Bruder ihres Mannes immerhin aufmunternde Worte parat: „Das ist ein richtig tolles Beerbaum-Wochenende." Und so gab sich auch der dominierende Springreiter des letzten Jahrzehnts wieder versöhnlich. „Ich bin mit der Leistung meiner Pferde an diesem Wochenende zufrieden", sagte Beerbaum und erkannte die bessere Leistung der beiden anderen mit würdigenden Worten an.

Immerhin geht auch Beerbaum selbst beim CHI nicht leer aus. 15 000 Euro gewann er allein für den zweiten Platz beim Großen Preis. Zusätzlich verbuchte er 17 Weltcuppunkte und – als Ersatz für den verpassten Wagen – noch weitere 10 000 Euro. Ob ihn all das wirklich tröstet, ist fraglich. Denn Ludger Beerbaums Niederlagen brachten ihn aus der gewohnten Ruhe. Normalerweise hat er für seinen Bruder, wenn der nach ihm in den Parcours geht, immer noch einige Tipps parat. Selbst wenn der Bruder daraufhin gewinnt. Diesmal war das nicht so.

Ingo Wolff

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