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Einsames Fähnchen. Griechische Fans beim Public Viewing. Foto: AFP

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Sport: Eine Stadt verstummt

Das große Spiel wird in Athen zum Trauerspiel.

Party geht anders. Mit ernsthaften Mienen starren die Fußballfans auf die großen Bildschirme und Leinwände vor den Restaurants und Cafés in der Fußgängerzone Apostólou-Pávlou, der ältesten Straße Athens. Griechische Fahnen hängen schlapp in der abendlichen Hitze vor den Läden im beliebten Stadtteil Thyssio. Der Anpfiff schneidet durch die stehende Athener Luft: EM-Viertelfinale Griechenland gegen Deutschland.

Doch die griechischen Fußballfans wirken extrem ruhig, fast lethargisch. Der Anpfiff wird eher nebensächlich registriert. Auch Lenja hat sich mit ihren Freundinnen in einer der Bars zum Fußballgucken verabredet. „Fast allen hier ist klar, dass die Deutschen gewinnen werden“, sagt die 25-jährige Studentin. Das sieht auch Giorgios so, der einen Tisch weiter mit Freunden das Spiel beobachtet. „Die deutsche Mannschaft ist technisch viel versierter als das griechische Team.“ Kleine blau-weiße Plastikfähnchen zieren den Tisch, an dem die Gruppe sitzt. Giorgios stellt sie sachte zur Seite, als die Kellnerin die neue Bestellung bringt. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir gewinnen.“ Dennoch wünscht sich der groß gewachsene Grieche Tore für seine Mannschaft, das täte den Griechen „seelisch mal ganz gut“.

In der Bar gegenüber geht es unruhiger zu. Dort sitzen auch die einzigen kenntlich gemachten Deutschland-Fans. Sie wirken fast wie eine Provokation. Argwöhnisch werden die „Germani“ von einer Gruppe junger Männer an einem der hinteren Tisch betrachtet. „Das Viertelfinale heute ist ein Duell“, sagt der 30-jährige Manolis in blau-weißem Fantrikot. Er nimmt einen großen Schluck aus seinem Bierglas. „Wir wollen die Deutschen heute plattmachen“, seine Augen funkeln wütend. „Die haben uns schon genug gegängelt.“ In dem Moment zielt Philipp Lahm und setzt den ersten Treffer. Laute Buhrufe ertönen. Als dann die jubelnde Kanzlerin Merkel im Bild erscheint, recken sich verächtlich die Hände der griechischen Fans gen Leinwand.

Halbzeit. In der Pause legt sich erneut die lethargische Ruhe über die Stadt. Dann folgt der Anpfiff zur zweiten Halbzeit. Als Giorgos Samaras das 1:0 für Deutschland ausgleicht, reißt ein Hoffnungstaumel die Fangemeinde von ihren Stühlen. „Etsii gamame afti pou sou xrostane“ – so machen wir die platt, die uns noch was schulden. Manolis und seine Freunde stimmen kurz einen sehr populären Fußballgesang an. Die Augen der Männer blitzen kämpferisch. Es hilft alles nichts. Deutschland gewinnt 4:2 und lässt auch die lauteste Gruppe der Fußgängerzone verstummen. Ein paar Minuten nach Abpfiff sind bereits viele der Zuschauer aufgebrochen. Ein einzelner Radfahrer mit riesiger Griechenlandfahne fährt klingelnd die Fußgängerzone hinunter. Er wirkt verloren. Theodora Mavropoulos

Theodora Mavropoulos

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