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Sport: Eine unglaubliche Geschichte

WM-Neuling Ghana besiegt den Favoriten Tschechien verdient mit 2:0

Sulley Muntari guckte noch einmal kurz in Richtung Petr Cech, dann schickte sein linker Fuß den Ball in den rechten oberen Torwinkel. Gleichzeitig schien es so, als explodiere die Tribüne hinter dem tschechischen Tor, wo sich Kölns neutrale Zuschauer längst auf die Seite Ghanas geschlagen hatten und halfen, die rot-gelb-grünen Fahnen wild durch die Luft zu schwenken. Muntaris Tor hatte besiegelt, was die Ghanaer schon etliche Torchancen und einen Elfmeter früher hätten auf den Weg bringen können: eine bittere Niederlage für Tschechien und einen 2:0 (1:0)-Erfolg für Ghana, der den ersten Sieg einer afrikanischen Mannschaft bei diesem Turnier bedeutete.

Es ist immer wieder erstaunlich, welche Geschichten der Fußball schreiben kann. Manchmal sind es schöne, manchmal traurige Geschichten, oft aber sind sie nicht einfach zu erklären, so wie Tschechiens Geschichte. Gefühlt lag der souveräne und glanzvolle 3:0-Auftaktsieg der Truppe um Trainer Karel Bruckner gegen die USA nach der gestrigen Niederlage um Jahre zurück. Dabei waren es nur ein paar Tage, in denen Tschechien sich in ein Krisengebiet verwandelte. Hinten löchrig und unsicher, im Mittelfeld viel zu weit weg vom Gegner und im Sturm teilweise indiskutabel.

Schon nach 60 Sekunden lag der Ball im Tor von Cech. Appiah hatte in den Strafraum gepasst, Ujfalusi sprang am Ball vorbei, und Gyan vollendete. Dieses Tor, per langen Pass durch die Mitte eingeleitet, war ein Symbol für das schlechte Spiel der Tschechen. Immer wieder schaffte es Ghana, das Mittelfeld mit solchen Pässen zu überbrücken und in die verwaisten Räume zu spielen.

Ghana war das schöne Spiegelbild zu den Tschechen. Im Vergleich zum 0:2 gegen Italien machte die Mannschaft von Ratomir Dujkovic diesmal fast alles richtig. Vor allem hinten stand sie sicher und konzentriert, spulte zudem ein unglaubliches Laufpensum ab, das in der zweiten Halbzeit sogar mit schönen Direktkombinationen abgerundet wurde. Eklatant allerdings die Abschlussschwäche. In der zweiten Halbzeit waren die Chancen kaum noch zu zählen, die Ghana vergab. Zu diesem Zeitpunkt, nach der 65. Minute, waren die Tschechen nur noch zu zehnt, weil Ujfalusi nach der Notbremse gegen Amoah Rot gesehen hatte. Gyan hatte den fälligen Elfmeter aber nur an den Pfosten geknallt. Aber so viele Chancen sich Ghana auch erarbeitete, genauso oft, rund ein dutzend Mal, liefen die Spieler auch ins Abseits. Und wenn Amoah, Gyan oder Muntari es doch einmal vor das Tor schafften, waren sie „anscheinend schon zu müde“, wie ihr Trainer hinterher diplomatisch erklärte.

Auf tschechischer Seite war das Entsetzen groß, weil sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet hatten. Die beiden verletzten Leistungsträger Koller und Baros, die in der Qualifikation allein 14 Tore erzielten, waren nicht zu ersetzen, und vor allem Lokvenc war eine Art Totalausfall. Das Mittelfeld mit Nedved, Rosicky und Plasil rannte zwar viel, aber gerade Rosicky setzte sich bei seinen Solos meist nur in den Abwehrbeinen des Gegners fest. Zwar war es nicht so, dass die Tschechen keine Torchancen hatten, aber das lag eher daran, dass Ghana im Laufe der Zeit so sehr auf das zweite Tor drängte und sich in das eigene Spiel verliebte, dass hinten die Ordnung verloren ging. Tschechiens Trainer Bruckner wollte seine Enttäuschung nicht kommentieren, er dürfe keine Gefühle zeigen, sagte er, Fußball ist real.

Das sahen Kölns weiße Ghanaer auf den Rängen auch so, nur mit Gefühl eben, und sie schmetterten noch lange den urdeutschen Klassiker „Oh wie ist das schön…“ Und mitten drin in der bunten Menschenmasse stach sogar die israelische Fahne mit dem Davidstern hervor, die John Pantsil zu Ehren geschwenkt wurde, der bei Hapoel Tel Aviv spielt. Ghanas multikulturelle Fangemeinde hatte ihren Spaß, während der rote Block der Tschechen stumm aus dem Stadion schlich.

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