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Schwarz-Rot-Groß. Dennis Endras mit unhandlichem Winkelement.

© dpa

Eishockey-WM: Dennis Endras: Verrückt genug

Torwart Dennis Endras ist der überragende deutsche Spieler. Doch mit seiner Souveränität verdutzt er nicht nur die Gegner.

Von Katrin Schulze

Es hatte etwas Heroisches, als Dennis Endras mit Schwarz-Rot-Gold über das Eis glitt, auch wenn die völlig überdimensionierte Deutschlandflagge ihn wie einen Miniatur-Eishockeyspieler aussehen ließ. Mit dem monströsen Winkelement in der Hand ließ sich der Torhüter von den Fans feiern. Seine Kollegen versammelten sich derweil am Rand der Eisfläche, um ihm genügend Raum für die Würdigung zu schenken. Ihm, dem kleinen Helden eines historischen Abends. Mit seinen Paraden sicherte Endras der deutschen Eishockeynationalmannschaft am Donnerstag den 1:0-Sieg über die Schweiz und damit gleichzeitig den Einzug ins Halbfinale der Weltmeisterschaft.

Davon will der 24 Jahre alte Torwart, der ohne seine Ausrüstung fast schmächtig wirkt, kurz nach Spielschluss aber lieber gar nichts wissen. „Es ist eine Riesenanerkennung für die gesamte Mannschaft“, sagte er gefasst. „Das Team hat über die gesamten 60 Minuten superhart gearbeitet.“ Ja, die Deutschen hatten im Viertelfinale alle gerackert und gekämpft, als ginge es um ihre Existenz, ihr Goalie aber fungierte sozusagen als Prototyp dafür: 41 Mal schossen die Schweizer auf sein Tor, 41 Mal scheiterten sie. Vor allem in den letzten Minuten prasselten die Schüsse nur so auf Endras ein – zack, zack, zack. Als Gegner kann man da verrückt werden, wenn alles geblockt wird. „Eine herausragende Leistung“ attestierte ihm der Schweizer Trainer Sean Simpson.

Doch mit seiner Souveränität verdutzt Dennis Endras nicht nur die Gegner. Auch seine Teamkameraden staunen in diesen Tagen über die Selbstverständlichkeit seines Auftretens nur so um die Wette: Stürmer Michael Wolf ist verwundert, „mit welcher Ruhe und Gelassenheit er agiert“. Und für Verteidiger Alexander Sulzer sieht es sogar beinahe so aus, „als langweile er sich im Tor“. Langeweile treibt den Torwart eher nicht um, vielmehr gehört die tiefenentspannte Haltung offensichtlich zu seinem Erfolgskonzept. Vor dem riesigen Eröffnungsspektakel in der Schalker Arena sei er nicht nervös gewesen, sagte er vor zwei Wochen. Am Donnerstag bekannte er nun: „Ich brauche keinen Psychologen, ich bin verrückt genug.“ Verrückt genug, um erst mit den Augsburger Panthern die Eisbären Berlin in den Play-offs der Deutschen Eishockey-Liga und nun die internationalen Topteams zur Verzweiflung zu bringen.

Der ein oder andere Talentspäher auf den WM-Tribünen dürfte mittlerweile an seinem eigenen Sachverstand zweifeln, weil er diesen jungen Mann zuvor noch nicht auf seinem Zettel vermerkt hatte – schließlich hütete Endras vor fünf Jahren noch in der Oberliga das Tor. Im Frühjahr 2010 allerdings scheint Größeres auf ihn zu warten. „In der momentanen Form sollten ihm alle NHL-Klubs ein Angebot machen“, findet Kollege Sulzer. Auch wenn Endras selbst noch nicht so weit denkt, am Selbstbewusstsein sollte der große Sprung nach Nordamerika nicht scheitern – der Goalie verkörpert das neue deutsche Hoch im Eishockey wie kein Zweiter. Trotzdem wollte sich Bundestrainer Uwe Krupp gestern noch nicht auf dessen Einsatz im Halbfinale gegen die Russen festlegen. So oder so: „Wir werden denen alles abverlangen“, sagt Dennis Endras. „Nach 60 Minuten werden die wissen, dass sie gegen uns gespielt haben.“ Vor allem, wenn er selbst auf dem Eis steht.

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