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Vancouver 2010 - Eisschnelllauf

© dpa

Eisschnelllauf: Beckert holt zweites Silber für Deutschland

UPDATE Hinter der tschechischen Topfavoritin Martina Sablikova läuft Stephanie Beckert im 3.000-Meter-Rennen auf Platz zwei. Daniela Anschütz-Thoms verpasst Bronze um eine Winzigkeit.

Man sieht es Stephanie Beckert zwar nicht auf Anhieb an, doch in der blonden Erfurterin schlummert eine Partylöwin. Zumindest dann, wenn andere die Party schmeißen und sie dazu übers Eis zischen kann. So wie am Sonntagnachmittag im Richmond Olympic Oval, wo Kanadier und Niederländer Rambazamba auf den Tribünen machten. „Erst einmal habe ich mich tierisch gefreut, dass ich die Kanadierin als Gegnerin bekommen habe“, erzählte Beckert. Die Kanadierin namens Kristina Groves, die vor ihr so lange Tempo machte, bis die 21-jährige Deutsche sie über 3000 Meter auf der letzten Bahn ein- und überholte.

Der Lohn: Hinter der Siegerin Martina Sablikova kam Beckert zu Silber, Groves zu Bronze – und Beckert jauchzte frech: „Das war eine herrliche Stimmung.“ Die fliegengewichtige Überfliegerin Sablikova, die bei 171 Zentimeter Körpergröße zarte 53 Kilogramm auf die Waage bringt, war mehr als zwei Sekunden schneller als Beckert – und prophezeite für das nächste Duell über 5000 Meter: „Ich denke, es wird ähnlich wie heute ausgehen. Stephanie wird definitiv wieder meine schärfste Konkurrentin sein.“ Da kam plötzlich Leben in Beckert, die bis dahin ganz steif neben der Tschechin auf ihrem Holzstuhl gesessen hatte: Sie strahlte Sablikova an, und gleich darauf klatschten die beiden Frauen ihre Handflächen laut gegeneinander. Zur selben Zeit verließ Daniela Anschütz-Thomas die Eislaufhalle gerade. Nicht durch den Hinterausgang, aber doch mit einem Gefühl verzweifelter Ohnmacht, das ihr in den letzten Jahren so unangenehm vertraut geworden war.

Als Vierte flitzte sie im letzten von 14 Frau-gegen-Frau-Duellen über den Zielstrich – die 35-Jährige, die bei ihren dritten Winterspielen nun immer noch auf jene Einzelmedaille wartet, die die 14 Jahre jüngere Stephanie Beckert gleich bei ihrer Olympia-Premiere abgestaubt hat. Anschütz-Thoms’ Tragik: Einen Wimpernschlag von 0,03 Sekunden war sie langsamer gewesen als Bronzemedaillengewinnerin Groves. Ein Hauch von einem Rückstand, mit dem sich die leidgeprüfte Nummer vier nicht abfinden wollte. „Ich akzeptiere jede Niederlage, wenn andere schneller sind. Aber bei drei Hundertstel ist es schwierig für mich, das zu verstehen“, sagte Anschütz-Thoms und wurde dann drastisch: „Ich hab’ die Scheiße einfach an der Backe kleben. Anders kann ich das leider nicht sagen.“

Für die ersten Herz- und Schmerzgeschichten sorgten zur Abwechslung also mal nicht die um ihr Knie besorgte Anni Friesinger-Postma oder die durch ihrer Dopingsperre gestoppte Claudia Pechstein. Sondern zwei Hinterbänklerinnen. Ein Zustand, der in Beckerts Fall zur Gewohnheit werden könnte. Pechstein war gerade 19, als sie in Albertville ihre erste von neun olympischen Medaillen gewann. Mit ihren 21 liegt Beckert, über deren Bett ein Poster der einzigen Branchen-Größe Gunda Niemann-Stirnemann hängt, da gut in der Zeit – und nun soll sie dem deutschen Eisschnelllaufen, dessen Protagonistinnen in die Jahre gekommen sind, neue Jugend verleihen. Und etwas Glanz am besten gleich dazu. Damit könnte es bei ihr aber schwierig werden, denn Beckert ist keine Selbstdarstellerin. Doch zumindest lässt ihr Dank an das temperamentvolle Publikum erahnen, dass sie gewillt ist, sich zu öffnen.

Während Beckert feiern durfte, nahm Anschütz-Thoms ihr Resultat letztlich mit bitterer Ironie hin. „Vierte Plätze habe ich schon immer knapp gewonnen“, seufzte sie, ehe sie dem Tag doch noch etwas Positives abgewinnen konnte: „Gefühlsmäßig kann es ab jetzt nicht mehr schlimmer werden.“

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