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Shkodran Mustafi. Hat sich im ersten EM-Spiel schon bewiesen.

© AFP/Martin Bureau

EM 2016: Shkodran Mustafi: Vom Deppen zum Helden

Bei der WM war Mustafis Rolle durchaus umstritten – nun zeigt er seine Stärke. Dass er auch das zweite Tor gegen die Ukraine eingeleitet hatte, ging unter.

Shkodran Mustafi dampfte noch ein wenig nach, als er sich mitternächtlich vom Duschen auf dem Weg zum Mannschaftsbus machte. Der 24-Jährige blieb im Keller des Stade Pierre Mauroy zu Lille vor einem Gestrüpp aus Mikrofonen stehen, tupfte seine Stirn ab und sagte, was sonst keiner aus dem deutschen Tross nach dem 2:0-EM-Auftaktsieg gegen die Ukraine sagte: „Es herrscht einfach ein unglaublicher Druck. Das ist nicht einfach.“

Kein Hummels, kein Rüdiger - da war Mustafi

Diese Aussage kam in etwa so unvermittelt, wie Mustafi bei seiner EM-Premiere die deutsche Elf Mitte der ersten Halbzeit in Führung geköpft hatte. Toni Kroos brachte einen Freistoß scharf und präzise genau auf den Punkt im gegnerischen Strafraum, wo sich bei Standards für gewöhnlich Mats Hummels aufhält. Doch der Dortmunder Innenverteidiger, der im Viertelfinale der WM vor zwei Jahren gegen Frankreich das Siegtor nach genau diesem Muster erzielt hatte, fiel verletzungsbedingt aus und wird frühestens am Donnerstag gegen Polen spielen können. Und weil auch dessen erster Ersatz, Antonio Rüdiger, vor wenigen Tagen das Kreuzband riss, fand sich Mustafi in der Startelf wieder.

Keine Sekunde hat der Sohn albanischer Eltern aus Mazedonien in den beiden zurückliegenden EM-Testspielen bestritten, zuvor hatte er nur eins von zehn EM-Qualifikationsspielen absolviert. Auch deshalb war der eine oder andere deutsche Fan etwas beunruhigt, als er gegen die Ukraine in der Innenverteidigung auflief. Hinterher war es niemand mehr.

Bisher gingen die Meinungen über ihn auseinander

„Es ist viel geschrieben worden, viel kommentiert“, sagte Mustafi, der beim FC Valencia sein Geld verdient. In den WM-Kader vor zwei Jahren hatte er es nur durch die Hintertür geschafft, eigentlich war er aussortiert worden. Der Abwehrspieler wurde nachnominiert, als Reservekraft. Doch dann verletzte sich Hummels im ersten WM-Spiel gegen Portugal, Mustafi kam rein und machte seine Sache – nun ja –, darüber gingen die Meinungen auseinander. Im Achtelfinale gegen Algerien zog er sich als rechter Außenverteidiger dann selbst einen Muskelbündelriss zu und konnte nicht mehr spielen. Es gibt nicht wenige, die darin einen der Gründe sahen, weshalb Deutschland am Ende den Titel gewann. Denn seine Verletzung hatte die lange geforderte Rückversetzung Philipp Lahms aus dem Mittelfeld auf die rechte Verteidigerposition zur Folge.

„Es ist nicht ganz einfach, wenn man nicht spielt und eigentlich immer auf seine Chance wartet“, sagte Mustafi in der Nacht von Lille. Gegen die Ukraine bekam er seine Chance – und nutzte sie. „Musti hat seine Rolle sehr gut gespielt, er war sehr präsent, gerade in den Zweikämpfen, im Eins-gegen-eins“, sagte Manuel Neuer. Zwei-, dreimal musste der deutsche Torhüter und Kapitän für seinen neuen Vordermann nachbessern, als dieser mal einen Ball leichtfertig verloren hatte und Konopljanka zum Schuss oder Chatscheridi zum Kopfball kam.

Er selbst sagt: „Es ist noch mal alles gut gegangen.“

Das war allerdings in einer Phase, als die gesamte Defensivorganisation des deutschen Teams nur mittelprächtig funktionierte und das Spiel „englisch“ wurde, wie Mustafi das zwischenzeitlich wilde Hin und Her umschrieb. Doch wie das Team, so rackerte sich auch Mustafi mit fortlaufender Dauer besser ins Spiel.

„Man hat gemerkt, dass er ein gutes Spiel machen wollte“, sagte Kroos später über Mustafi, dem dann kurz vor Ende der regulären Spielzeit noch fast ein Malheur unterlaufen wäre. Seine Kopfballrückgabe auf Neuer, der in seinem Rücken schon den Vorwärtsgang eingelegt hatte, geriet zu hoch und zu lang, doch glücklicherweise hatte er sie so angesetzt, dass sie neben dem Tor eingeschlagen hätte. „In einer Minute wird man zum Helden, in einer anderen zum Deppen“, sagte Mustafi und tupfte noch einmal seine Stirn ab. „Es ist noch mal alles gut gegangen.“

Und so war es in der Nachspielzeit ihm vorbehalten, mit einem akrobatisch gewonnenen Ball an der eigenen Strafraumgrenze das 2:0 eingeleitet zu haben. Was aber etwas unterging, weil es Bastian Schweinsteiger erzielte. Der dampfte und schwitzte auch noch nach, obwohl er nur einen Sprint hingelegt hatte am Abend. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

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