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„Alexi, I don’t agree.“ Michael Ballack (li.) diskutiert im US-TV mit Alexi Lalas für ESPN über die EM. Foto: dpa

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EM  Nebenschauplatz: EM  Nebenschauplatz

Das mit dem Lächeln muss Michael Ballack noch etwas üben. Der Rest sitzt.

Das mit dem Lächeln muss Michael Ballack noch etwas üben. Der Rest sitzt. Der smarte Anzug, die Worte. Ballack blickt professionell direkt in die Kamera. Sagt zum Abschied an die Fernsehzuschauer: „See you.“ So geht das in den USA.

Es sind keine langen Auftritte, die der einstige Kapitän der deutschen Nationalmannschaft absolviert. Aber es sind unterhaltsame Minuten, wenn Ballack mit seinem Sidekick Alexi Lalas für den US-Sportsender ESPN die Spiele der Europameisterschaft analysiert. Ganz weit weg vom Geschehen. Das ESPN-Studio steht in einem Städtchen im US-Bundestaat Connecticut mit dem niedlichen Spitznamen „Mum City“. Aber in Bristol, dem ESPN-Sitz, sind sie emotional und fachlich näher dran an der EM als etwa das ZDF, das es ja auch nicht bis nach Polen, sondern nur bis nach Usedom geschafft hat. Und was Ballack sagt, das hat Substanz. Lalas, als Nationalspieler mit seiner Lockenpracht einst der Fußball spielende US-Sunnyboy, nun smarter Sportmoderator, hat Probleme, Schritt zu halten. Ballack sagt, was er denkt, und bremst aus. Lalas sagte vor dem gestrigen Spiel: „Alles andere als ein 4:0 oder 5:0 deiner Jungs gegen meine Griechen wäre ein Versagen.“ Ballack sagt: „Warum sollen wir fünf Tore schießen? Im Fußball zählt das Weiterkommen.“ Die beiden streiten unterhaltsam. Lalas jubelt über die Engländer und ihren effektiven Fußball. Ballack sagt trocken: „Wenn du drei Busse vor dem eigenen Tor parkst, dann ist das kein Fußball.“

Ballack macht das alles in verständlichem Englisch, das er in London in seiner Zeit bei Chelsea gelernt hat – gefärbt mit dem wohl in der Jugendzeit in Chemnitz angeeigneten sächselnden Akzent und einem satten Schlag deutscher Denke. So hat er dann Moderator Bob Ley, der ihn „Meikel Bollock“ nennt, die Geschichte erzählt, warum die Holländer so lange Ohren haben: „Because their mothers bring them to the border and lift them up at the ears and tell them: There live the champions.“

Michael Ballack kommt an, die Fans nennen den Deutschen in Onlinekommentaren liebevoll „Bally“, und die EM-Sendung des größten Sportsenders hat in der Fußball-Diaspora USA rund 1,3 Millionen Zuschauer. Das ist erstaunlich, zumal Ballack völlig unamerikanisch in seinen Auftritten daherkommt. Er schreit nicht, er poltert kaum, setzt die Arme selten ein und lächelt wenig. Aber er analysiert fundiert. Er steht als erfolgreicher Fußballer für Kompetenz. Und das kommt an in den USA – womöglich, weil es von dem Gegenteil Ballacks zu viele im nordamerikanischen Fernsehen gibt. Und mit seinem Ferienjob bereitet Michael Ballack geschickt das Feld, auf dem er bald spielen könnte. Ein Wechsel in die Major League Soccer (MLS) – zu Liganeuling Montreal Impact – ist ja im Gespräch. Michael Ballack würde der Liga gut zu Gesicht stehen. Denn seins kennen sie jetzt in den USA mit jedem Tag besser – zumindest die, die sich dort für den Fußball interessieren. Claus Vetter

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