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Sport: Endlich Medaillen

Potsdam. Wie durch einen grünen Teppich habe er sich gekämpft, sagt Thomas Lurz nach dem Rennen.

Potsdam. Wie durch einen grünen Teppich habe er sich gekämpft, sagt Thomas Lurz nach dem Rennen. „Ich habe einfach nichts mehr gesehen vor lauter Algen, bin nur noch wie um mein Leben geschwommen.“ Als Lurz das sagt, eine Decke um die Schultern, ist er noch ganz außer Atem vor Anstrengung und Aufregung. Vize-Europameister beim Fünf-Kilometer-Rennen im Templiner See – „das hätt’ ich nicht erwartet“, sagt Lurz noch. Dann muss er zur Siegerehrung.

Drei Tage hat es gedauert, bis die deutschen Langstreckenschwimmer die erste Medaille im Freiwasser ergattern konnten. Über die 25 Kilometer der Frauen waren Angela Maurer und Britta Kamrau vorher nur Siebte und Achte geworden, beim Marathon der Männer am Freitag war der Erfurter Christian Hansmann auf Platz sechs gelandet. Sie hatten einfach zu sehr gefroren im mit 17 bis 19 Grad ungewöhnlich kalten Wasser.

Für DSV-Coach Christian Bartsch muss Thomas Lurz’ Medaille also wie eine Erlösung gewesen sein. Und als danach auch die erst 17-jährige Nadine Pastor über die fünf Kilometer noch Bronze holte, hatte er sogar Tränen in den Augen: „Wir haben so hart trainiert, und dann kam die Kritik. Ich bin so froh, dass wir heute beweisen konnten, wie stark wir wirklich sind“, sagte er.

Vor allem das Rennen der Herren war spannend. Ein paar Tage zuvor hatte Lurz noch gesagt, dass seine Taktik wahrscheinlich darin bestehen würde, „einfach zügig durchzuschwimmen“ – er tat es. Von Anfang an waren Lurz und der Favorit – der Italiener Luca Baldini – allein vor dem Rest des Pulks. Vom Start am Restaurant Zum Seekrug kraulten sie unter einer Eisenbahnbrücke hindurch, dann 1,5 Kilometer am Ufer entlang, um eine Boje herum, wieder unter der Brücke durch und im Bogen zurück zum Start. Lurz konnte beim Schlussspurt schließlich Baldini noch ein bisschen näher kommen. Am Ende lagen nur noch 50 Sekunden zwischen ihm und dem Sieger, als er nach 56 Minuten und 24 Sekunden anschlug.

Lurz ist gut, hatten viele vor dem Start noch gesagt. Schließlich war der rotblonde 22-Jährige erst vor drei Wochen in Straußberg Deutscher Meister geworden. Aber wie er sich in einem Rennen mit europaweiter Beteiligung schlagen würde, war da noch unklar. Potsdam sollte erst sein zweiter großer Langstreckenauftritt werden. „Die WM in Japan hab’ ich ja total versiebt“, hatte Lurz vor der EM noch gesagt – im Meer die Orientierung verloren und Quallen an den Beinen, „das hat mich irgendwie aus der Fassung gebracht“. Lurz wurde Dreizehnter.

Für den Würzburger ist die Freiwasserschwimmerei noch relativ neu. Eigentlich kommt er von den Langstrecklern im Becken. 1500 Meter oder 400 Meter Lagen waren seine Disziplinen – „aber zwischen 1500 Metern und 5000 Metern ist kein großer Unterschied mehr“, findet Lurz. Gewöhnungsbedürftig nur, dass er im Freiwasser nie den Grund sehen kann. Tatsächlich muss er aber nur zu den Wettkämpfen ins offene Wasser: Zu 98 Prozent trainiert er in der Halle. Rundherum gibt’s nämlich keine Seen.

Thomas Lurz schwimmt seit 14 Jahren – es ist zum Alltag geworden. 6 Uhr 15 Frühtraining, dann zur Uni – er studiert Sozialpädagogik – dann wieder Training von 15 Uhr 30 bis 18 Uhr 30. Zeit für eine Freundin bleibt da nicht, höchstens mal fürs Skateboarden oder ein Punkrockkonzert. In der Woche schwimmt er bis zu 100 Kilometer – und trotzdem noch weniger als die schärfsten Konkurrenten, die Italiener. Deren Herren sind offiziell Carabinieri – inoffiziell kassieren sie zwar das Gehalt, schwimmen aber nur. Thomas Lurz hingegen erhält 150 Euro monatlich vom Verein und etwas von seinen Eltern. Keine Sponsoren und Stress zwischen Training und Studium – der Star unter den deutschen Langstrecklern überlegt schon jetzt, wann er aufhören muss, um einen Beruf zu ergreifen, von dem er leben kann.Christine-Felice Röhrs

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