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Energie Cottbus: Bescheidener Ehrgeiz

Energie Cottbus ist schuldenfrei - aber seine Stars muss sich der Trainer selbst erschaffen.

Von Karsten Doneck, dpa

Folge 6:

ENERGIE COTTBUS

Was hat sich verbessert? Die Rahmenbedingungen für das Bundesliga-Dasein bessern sich Zug um Zug. So erhielt nach langem Diskurs mit den politischen Stellen der zuvor viel zu kleine Trainingsplatz im Cottbuser Eliaspark die Maße eines normalen Fußballfeldes. Derzeit wird an einer der Stirnseiten im Stadion der Freundschaft für rund 1,5 Millionen Euro eine neue, die Stimmung fördernde Stahlrohrtribüne erstellt. Auch der Etat wächst, in kleinen Schritten zwar, aber immerhin von 20 auf 22 Millionen Euro. Damit bleibt Cottbus aber immer noch Cottbus: klein, bescheiden, sympathisch. Zum Vergleich: Der FC Bayern gab allein für neue Spieler in diesem Sommer rund 70 Millionen Euro aus.

Wer sind die Stars? Die Ribérys, van der Vaarts und Ailtons spielen woanders. Stars dieser Kategorie sprengen bei Energie den Finanzrahmen, sie wären deshalb auch fehl am Platze. Der Trainer muss sich in Cottbus seine Stars selber machen. Das gelang vorige Saison ganz gut. Die beiden Rumänen Sergiu Radu und Vlad Munteanu weckten mit zusammen 25 Saisontoren prompt Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz, der VfL Wolfsburg schnappte sich die beiden. Cottbus hat reagiert: Aus den zehn Neuzugängen für die nächste Saison, von A wie Aloneftis bis W wie Wachsmuth, schälen sich vielleicht zwei, drei neue Stars heraus. Publikumsliebling bleibt aber Torwart Tomislav Piplica (38). Der hat allein aufgrund seiner unregelmäßig wiederkehrenden Kapriolen einen prächtigen Unterhaltungswert.

Wie sicher ist der Job des Trainers? Eigentlich müsste Petrik Sander längst im Branitzer Park neben dem Stadion ein Denkmal gesetzt worden sein. Freiflächen gibt’s dort ja in Hülle und Fülle. Der Trainer hat trotz Mini-Etats 2006 nicht nur den Aufstieg geschafft, sondern im Jahr darauf auch in fast schon souveräner Manier den Klassenerhalt in der Bundesliga. Doch als Sander unlängst eine vorzeitige Vertragsverlängerung und höhere Bezüge einforderte, ließ ihn Präsident Ulrich Lepsch kalt abblitzen. Sander ist damit auf der unsicheren, Lepsch auf der sicheren Seite: Spielt Cottbus erfolglos, kann Sander ohne allzu kostspielige Abfindungszahlung ausgetauscht werden. Andererseits: Sander liefert exzellente Arbeit ab. Er und Energie Cottbus – das passt einfach wie einst Otto Rehhagel zu Werder Bremen. So einen Trainer sollte der Verein tunlichst bei Laune halten.

Welche Taktik ist zu erwarten? Eine stürmende Energie-Elf wird es auch in der nächsten Saison höchstens mal in den Schlussphasen der Spiele bei knappen Rückständen zu sehen geben. Von neutralen Beobachtern wurde den Cottbusern in der vorigen Saison oft eine langweilige Defensivtaktik bescheinigt. Zu Unrecht. Klar, Energie bietet keinen stürmischen Erlebnisfußball, tritt aber selbstbewusster und damit auch risikofreudiger auf als beim ersten, dreijährigen Bundesliga- Gastspiel unter Eduard Geyer. „Energie wird immer eine Mannschaft sein, die aus gesicherter Deckung heraus spielt, aber ich lasse mir keine Mauertaktik einreden“, grollt Petrik Sander.

Wer hat das Sagen im Verein? Ulrich Lepsch, der Präsident, ist der starke Mann. Als Wortführer findet er auch deshalb Anerkennung, weil er auf der Mitgliederversammlung Ende Mai ein glänzendes Zahlenwerk präsentieren konnte. Energie Cottbus sei schuldenfrei, habe im Geschäftsjahr 2006 sogar 1,282 Millionen Euro Gewinn gemacht. Cottbus stand vor nicht langer Zeit noch mit 4,5 Millionen Euro in den Miesen. Im Streit um die Vertragsverlängerung von Trainer Sander hat sich auch Manager Steffen Heidrich eindeutig positioniert – auf Lepschs Seite.

Wie ist die Stimmung im Stadion? Stadionsprecher Ronny Gersch läuft vor jedem Heimspiel zur Hochform auf, bei seiner Animation des Publikums balanciert der Mann stets hart am Rande der Stimmbandreizung. Aber der Funke springt nicht mehr so über. Das Publikum im Stadion der Freundschaft war auch schon mal dröhnender, leidenschaftlicher, fanatischer. Es war in den ersten drei Bundesliga-Jahren (2000 bis 2003) der 12. und 13. Mann für den FC Energie und ging mit seiner wenig objektiven Sichtweise Gegnern und Schiedsrichtern manchmal gehörig auf den Geist. Das hat nachgelassen. Ist das eine Art Gewöhnungseffekt an die Bundesliga? Vielleicht wird der „Energie-Roar“ ja wieder kräftiger durch die neue, direkt hinter dem einen Tor hochgezogene neue Stehplatztribüne.

Welche Platzierung ist möglich? Die Antwort kann am besten Petrik Sander geben. „Wir gehören wieder zum absoluten Kreis der Abstiegskandidaten“, sagt der Trainer. Dem kann niemand ernsthaft widersprechen. Und Sander hat gleich noch mal Recht, wenn er sagt: „Ein Überraschungscoup wird uns jetzt nicht mehr so oft gelingen. Deshalb müssen wir im Training und im Spiel noch mehr tun.“

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