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Sport: Es fehlt etwas

Bei der Niederlage in Karlsruhe zeigt sich wieder einmal, dass Hertha nicht über den Kopf funktioniert

Als Michael Weiner vom Platz ging, tat er das nicht allein. Zwei, drei Berliner klebten an seinen Sohlen, und sie redeten auf ihn ein mit einer Hingabe, die ihnen auf dem Platz ganz gut zu Gesicht gestanden hätte. Was die Herren Fußballprofis da so Wichtiges mit dem Schiedsrichter zu besprechen hatten, blieb ihr Geheimnis. An falschen oder ungerechten Pfiffen lag es jedenfalls nicht, dass Hertha BSC am Freitagabend mal wieder weit unter Wert gespielt und beim Aufsteiger Karlsruher SC 1:2 verloren hatte. Weiner hörte geduldig zu. Als er abbog zu seiner Kabine, drehte er sich noch einmal um und rief einem Herthaner gönnerhaft-mitleidig hinterher: „Ja, ja, du bist ein ganz Großer!“

Gemeint war wohl Josip Simunic, Herthas Innenverteidiger, der mal wieder im Mittelfeld spielen musste, weil Trainer Lucien Favre im Abwehrzentrum nicht von seinem Schweizer Landsmann Steve von Bergen und dem gesetzten Arne Friedrich lassen mag. Simunics offensichtlich dauerhafte Rochade stand stellvertretend für Herthas Auftritt im Wildparkstadion: Alles wirkte irgendwie zusammengeflickt, nichts fügte sich zusammen in eine Einheit, die mehr hätte ausrichten können, als nur ein bisschen mitzuspielen.

Kapitän Friedrich mahnte nach dem Spiel fehlende Cleverness an. Das stimmt insofern, als es eher selten vorkommt, dass sich eine Mannschaft auf fremdem Platz das gegnerische Siegtor durch einen Konter einfängt. Und doch zielt Friedrichs Kritik am Kern des Problems vorbei. Cleverness kann erst greifen, wenn sie auf einer erreichten Leistung fußt. Erreicht aber hatten die Berliner in Karlsruhe wenig, sieht man einmal ab von Marko Pantelics Führungstreffer, von dem die Herthaner wahrscheinlich noch mehr überrascht waren als die dominierenden Karlsruher.

„Das war schon ein bisschen glücklich“, gab Favre zu. Intelligenz hatte der Trainer seiner Mannschaft in der Pause gepredigt, „kontrolliert weiterspielen und das zweite Tor machen“. Doch Hertha hat offensichtlich keine Mannschaft, die in entscheidenden Situationen über den Kopf funktioniert. Das war schon beim letzten Auswärtsspiel in Hamburg zu sehen, als die Berliner den HSV am Rande einer Niederlage hatten, aber zu viel in zu kurzer Zeit wollten und am Ende doch noch verloren. „Irgendetwas fehlt, ich weiß auch nicht, was es ist“, sagte Verteidiger Malik Fathi. „Dabei haben wir es fußballerisch doch drauf.“

Das mag sein, aber im Wildpark war wenig zu sehen vom Potenzial der Berliner. Das Bemerkenswerte an der sechsten Niederlage im siebten Auswärtsspiel war ja, dass der Aufsteiger die ambitionierten Herthaner nicht niederkämpfte, sondern nach Lust und Laune ausspielte. Selbst in der Schlussphase, als Hertha beim 1:2- Rückstand alles nach vorne hätte werfen müssen, spielten nur noch die Karlsruher.

Die Qualität des Karlsruher Spiels spiegelte sich wider im Mittelfeldlenker Tamas Hajnal. Der Ungar war überall auf dem Platz zu finden, er schlug intelligente Pässe, schoss das Ausgleichstor und stellte mit dem Ball Sachen an, die für die Berliner an diesem Abend in unerreichbarer Ferne lagen. Hajnals Lust am Spiel litt auch nicht darunter, dass er unter der Woche zwei Länderspiele bestritten hatte. Malik Fathi fasste den Unterschied zwischen Hertha und dem KSC so zusammen: „Die haben es gut gemacht und wir nicht.“

Diese Analyse spricht ebenso für die Aufrichtigkeit der Berliner wie ihre Weigerung, den bescheidenen Auftritt am Fehlen der brasilianischen Nationalspieler Gilberto und Mineiro festzumachen. Beide hatten noch am in der Nacht zu Donnerstag in Sao Paulo gegen Uruguay gespielt. „Bei uns standen heute elf Leute auf dem Platz, die schon öfter mal gespielt haben“, befand Kapitän Friedrich, und Manager Dieter Hoeneß wehrte sich gegen „eine zu billige Ausrede für die Mannschaft, auch wenn uns ein Mann wie Gilberto in der zweiten Halbzeit sicherlich sehr gut getan hätte“. Am elegantesten umging Lucien Favre die Frage nach den Brasilianern. „Über abwesende Spieler rede ich nicht“, sagte er. Auch für den aus Berliner Sicht denkbar überflüssigen Karlsruher Siegtreffer fand Favre einen Satz, dessen Schönheit in seiner poetischen Kürze lag: „Das bedaure ich.“

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