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Michael Schumachers Tochter Gina gehört seit Jahren zu den besten Westernreiterinnen.

© imago/Eibner

„Es hat einfach diese gewisse Lockerheit": Westernreiten wird immer populärer

Die Westernreitweise wird in Europa immer beliebter. Mit Cowboy-Romanik hat die Disziplin aber nichts zu um. Es dauert Jahre, um das Pferd verstehen zu können.

Ruhelos durchstreift ein Cowboy die unendlichen Steppen und Berge Arizonas. Zu dramatischer Musik, reitet er ins Bild ein, in eine erbarmungslose karge Landschaft. Die Geier kreisen schon. Hier geht es um mehr. Nur er, sein Pferd und ihr Schatten gegen den Rest der Welt, im Kampf für Gerechtigkeit.

Sie sind Eins, Pferd und Reiter, kennen sich genau. Das Pferd weiß eigentlich schon vor dem Reiter, was es zu tun hat. Ihr Weg ist lang, aber es bleibt noch etwas Zeit. Nicht verschwenderisch mit Worten. Rastlos reiten sie auch wieder davon.

Solche Bilder hat mancher vielleicht im Kopf, wenn sie oder er vom Westernreiten hört, die Realität sieht allerdings anders aus. Mit Cowboy-Romanik hat diese Disziplin nichts zu um, um ein guter Reiter oder eine gute Reiterin zu werden und das Pferd verstehen zu können braucht es meistens viele Jahre.

In Deutschland gibt es nach Erhebungen rund elf Millionen Menschen, die sich für den Pferdesport interessieren und 2,3 Millionen Pferdesportler*innen. Schätzungsweise ein Drittel davon reiten nach der Westernreitweise, weiter verbreitet ist nur die Englische Reitweise. Es gibt aber noch viele andere Arten, sein Pferd auszubilden und zu reiten als diese beiden.

Eine gute Pferd-Mensch-Beziehung ist entscheidend

Die Westernreitweise ist in Europa etwas weniger populär, was wohl auch daran liegt, dass sie anders als viele traditionelle Reitweisen aus den USA kommt, aber sie wird immer beliebter. „Das Interesse ist schon da, aber das Angebot ist regional sehr unterschiedlich, Westernreiten ist schon in der Minderheit“, sagt Mandy Heidinger. Zusammen mit ihren Eltern betreibt sie die Stockborn Ranch, ein Westernreithof in Thüringen.

Die Reitweisen unterscheiden sich in vielen Punkten, sie haben nicht nur einen anderen Ursprung, sondern auch einen anderen Zweck . Hartnäckig hält sich das Klischee, wonach die Westernreitweise besser sei als die Englische, denn das Pferd werde besser behandelt. Karin Brummund, Besitzerin der Lucky Horse Range bei Berlin, sagt: „Wenn man eine Gegenüberstellung macht, also Umgang mit dem Pferd, Umgang mit dem Menschen, Pferd- Mensch-Beziehung, wird ein guter Reiter das immer gleich beantworten, eine gute Pferd-Mensch-Beziehung bleibt eine gute Pferd-Mensch-Beziehung, unabhängig von der Reitweise.“

Der Reiter wirkt permanent auf das Pferd ein

Viele Reiter finden aber, dass das Westernreiten ganz besonders ist, denn „es hat einfach diese gewisse Lockerheit, man kann relativ entspannt drauf sitzen. Bei der klassischen Reitweise muss man sich mehr konzentrieren“, sagt Heidinger, „Deshalb ist es ideal, um ein Naturerlebnis mit dem Reiten zu verbinden.“ Zum Englischen Reiten gehören Disziplinen wie Springen, Dressur, Renn- oder Jagdreiten. Der Reiter wirkt hier permanent auf das Pferd ein, zum Beispiel durch Schenkeldruck oder die Zügel.

Diese Einwirkung auf das Reittier nennt man „Hilfengebung“. Dazu gehören auch Gewichtsverlagerungen, der Einsatz der Stimme, die Benutzung von unterschiedlichen Hilfsmitteln wie Leinen, Zügeln, Gerten, oder im Westernreiten auch Sporen. Aus dem Zusammenspiel der Hilfen ergibt sich die Kommunikation mit dem Pferd.

Beim Westernreiten sind Jeans, Cowboystiefel und Hut sehr beliebt.

© imago images

Beim Westernreiten geht es darum, mit so wenig Anstrengung wie möglich mit dem Pferd zu kommunizieren und trotzdem die vollständige Kontrolle zu haben. In gewisser Weise ist Westernreiten die Weiterentwicklung der Arbeitsreitweise der nordamerikanischen Cowboys. Sie mussten auf andere Dinge achten und brauchten das Pferd als „Partner“ um die tägliche, harte Arbeit erledigen zu können und weite Strecken zurückzulegen. Es war gar nicht möglich, sich wie in der Englischen Reitweise vorrangig auf die Reitkunst zu konzentrieren und dauerhaft auf das Pferd einzuwirken.

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Ein kurzer Impuls musste reichen um einen Befehl zu erteilen. Etwa ein kurzer Schenkeldruck, um loszulaufen oder um die Gangart zu wechseln. Ansonsten sitzt der oder die Reiter*in im „losgelassenen Gleichgewichtsitz“, das heißt, dass man sich einfach vom Pferd tragen lässt und Schenkel oder Kreuz nur bei Bedarf einsetzt. Anders könnte man es auch nicht den ganzen Tag im Sattel aushalten. Außerdem wird das Pferd einhändig geritten, man musste ja eine Hand zur Arbeit, zum Beispiel mit dem Lasso, frei haben.

Beim Englischen Reiten kommt alles vom Militär oder aus der Jagd. Der Westernsattel ist größer und schwerer als der beim Englischen Reiten, das Gewicht des Reiters oder der Reiterin wird auf dem Pferderücken weitflächiger verteilt. Und ein hoher hinterer Rand sorgt auch bei schnellen Wendungen für ausreichende Sicherheit. So sieht ein typischer Arbeitssattel aus. Es war für die Cowboys überlebenswichtig, sich auch in brenzligen Situationen auf das Pferd verlassen zu können. Bis heute ist es Ausbildungsziel, das Tier zu möglichst großer Selbständigkeit zu erziehen.

Bei "Trail" kommt es auf Geschicklichkeit an

Nervenstärke, Trittsicherheit im Gelände, Schnelligkeit und Ausgeglichenheit waren besonders wichtig, um die Aufgaben erfüllen zu können. Diese Eigenschaften sind bis heute gewünscht und es wurden Pferde gezüchtet, die sich besonders für die Westernreitweise eignen. So zum Beispiel Quarter Horses, Paint Horses oder Appaloosas. Aber natürlich kann jedes Pferd im Western-Stil ausgebildet werden. Als dann irgendwann alle Rinder beieinander waren, haben sich aus den verschiedenen früheren Arbeitsaufgaben mit der Herde die heutigen Westerndisziplinen ergeben.

So gibt es die Disziplin „Trail“. Es ist eine Prüfung, wo es auf Geschicklichkeit ankommt. Schwierige Hindernisse müssen bewältigt werden. Das Pferd sollte dabei gelassen bleiben und Vertrauen zum Reiter zeigen.

In gewisser Weise ist Westernreiten die Weiterentwicklung der Arbeitsreitweise der nordamerikanischen Cowboys.

© imago images

Eine Aufgabe kann sein, ein geschlossenes Gatter zu öffnen und durchzureiten, ohne dass eine Kuh entweicht. Das „Reining“ ist die bekannteste Disziplin der Westernreitweise in Europa. Hier werden verschiedene komplizierte Lektionen ausgeführt, so zum Beispiel Drehungen, Stopps oder Rückwärtsrichten – und das aus dem Galopp. Man kann das „Reining“ als Dressur des Westernreitens sehen. Disziplinen, wo mit Rindern gearbeitet wird, sind das „Cutting“, „Working Cowhorse“ oder „Team Penning“.

"Die Verbindung zweier Anatomien"

Das „Cutting“ ist nach Tennis und Golf der am höchsten dotierte Sport überhaupt. Bei dieser Disziplin müssen Pferd und Reiter*in ein Rind von seiner Herde trennen und es daran hindern zu ihr zurück zu laufen. Dazu hat man im Wettbewerb zweieinhalb Minuten Zeit. Viele Rancharbeitspferde haben wegen ihrer Zucht einen Instinkt dafür, wie sie mit dem Rind arbeiten müssen. Das ist der sogenannte „Cowsense“, die Pferde arbeiten fast vollkommen eigenständig.

Die beiden Reitweisen unterscheiden sich also nicht nur im Look – beim Westernreiten sind Jeans, Cowboystiefel und Hut sehr beliebt. Keine von beiden ist die „richtige“ Reitweise, „nur die Leute, die oberflächlich an das Thema ran gehen, sagen, die eine Reitweise ist besser als die andere, das stimmt aber nicht.

Ein guter Reitlehrer wird in jeder Reitweise dem Reitschüler oder der Reitschülerin erklären, worum es bei einer guten Pferd-Mensch-Beziehung geht“, sagt Karin Brummund. „Reiten ist eigentlich nur die Verbindung zweier Anatomien und daraus resultieren alle Bewegungsabläufe. Das ist die eine Seite des Reitens, die andere ist, die zu bewältigende Aufgabe, egal ob das jetzt ein Parcour ist, oder ob es darum geht, eine Kuh einzufangen.“

Es gibt in beiden Bereichen des Reitsports Menschen, die über die Leistungsfähigkeit der Tiere hinaus gehen wollen. Das Ziel sollte aber immer ein tiergerechtes Reiten sein, was zu einer Partnerschaft führt. Am Ende ist das Endergebnis immer nur so gut, wie die Summe der Qualitäten jedes Einzelnen des Teams.

Maja Hohenberg

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