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Sport: „Es reicht nicht für die absolute Weltspitze“

Eistänzer René Lohse erklärt, warum die deutschen Eiskunstläufer ab Montag bei der Weltmeisterschaft in Dortmund nur eine Nebenrolle spielen werden

Herr Lohse, Sie haben sich für diese Saison mit Kostümen im Wert von mehreren tausend Euro eingedeckt. Verschenken Sie eigentlich gerne viel Geld?

Ich habe nicht das Gefühl, Geld verschenkt zu haben. Wir haben unsere Kostüme schon oft in dieser Saison getragen und konnten trotz allem das Geld wieder reinholen.

Aber bei der Eiskunstlauf-WM in Dortmund, dem wichtigsten Termin in dieser Saison, nützen Ihnen und Ihrer Partnerin Kati Winkler die neuen Kostüme herzlich wenig. Da werden Sie wohl wieder eine Medaille verpassen. Weil Sie an der Mafia, wie Sie das System der Punktrichter einmal genannt haben, nicht vorbeikommen.

Die Medaille haben wir noch nicht verfehlt. Natürlich ist ein Medaillengewinn so gut wie aussichtslos. Es ist halt schwer, in die anscheinend zementierte Hierarchie einzudringen, das hat man ja in der Vergangenheit gesehen. Dazu kommt, dass wir ein paar mal Pech hatten. Und bei der Europameisterschaft in Budapest haben wir auch noch gefehlt. Ein Vorteil ist das bestimmt nicht. Aber jetzt müssen wir erst mal den Wettkampf abwarten. Was soll ich denn jetzt schon über unseren Auftritt sagen?

Die Punktrichter-Skandale bei den Olympischen Spielen 2002 haben Funktionäre und Medien aufgerüttelt. Eigentlich sollte doch jetzt alles besser werden.

Beim Eiskunstlaufen ist schon immer subjektiv bewertet worden, das wird auch so bleiben. Solange es keinen Videocomputer gibt, auf dem alles genau analysiert werden kann, wird sich nichts ändern. Uns werden weiterhin Menschen beurteilen. Und dann geht es nur um eines: Wie viele Preisrichter können wir als Sportler überzeugen und für uns gewinnen? Das muss ja nicht bloß im Wettkampf passieren. Das gilt ja auch für die Zeit vor dem Wettkampf.

In der Internationalen Eislauf-Union ist kein deutscher Funktionär mehr in entscheidender Funktion. Viele Beobachter bedauern das. auch Sie. Wenn man aber den Fair-Play-Gedanken zugrunde legt, dürfte dieses Fehlen eines Funktionärs mit deutschem Pass bei der Notengebung ohnehin keine Rolle spielen.

Ha, Sie träumen wohl!

Mag sein. Woran bemerken Sie denn dann konkret, dass ein deutscher Vertreter fehlt? Was könnte der denn besser machen?

Ganz einfach. Wenn sich ein Paar oder ein Läufer optimal präsentiert, könnte er die entscheidene Lobbyarbeit leisten. Die gehört nämlich unverändert zur Notengebung.

Wenn die Lobbyarbeit unverändert so wichtig ist: Wie reden denn die internationalen Preisrichter über den schwächelnden deutschen Eiskunstlauf?

Wir haben das Gefühl, dass wir von einigen sehr gemocht werden. Aber anderen sind wir erkennbar ein Dorn im Auge, zumindest wenn wir gut in Form sind und uns dementsprechend verkaufen.

Sie wurden von einer kanadischen Preisrichterin bei einem Preisrichter-Lehrgang in Oberstdorf als Demonstration-Paar ausgewählt. Für die Notengebung im Wettkampf spielt so eine Auszeichnung offenbar keine Rolle.

Wir wurden ausgewählt, weil wir in Oberstdorf das einzige Weltklassepaar sind. Wenn man uns nimmt, muss man kein anderes Paar extra einfliegen lassen. Wir wurden aufgrund unserer Leistungen ausgewählt, das ist durchaus eine Ehre. Nur haben Seminare und Wettkampf nicht viel miteinander zu tun.

Sie gehören zu den wenigen Sportlern, die nicht ins Ausland zum Training gehen. Weshalb eigentlich nicht?

Ganz einfach: Weil wir hier die besten Bedingungen vorfinden und die besten Betreuer haben. Von anderen können wir nichts Besseres lernen. Und wenn Sie sich fragen, warum wir dann trotzdem nicht ganz vorne sind, dann liegt das an der mangelnden nationalen Konkurrenz, an unseren Verletzungen und der fehlenden Lobbyarbeit auf internationaler Ebene.

Was sagen denn Ihre Konkurrenten, wenn die über das deutsche Eiskunstlaufen reden?

Wenn ich mal von unseren persönlichen Erfahrungen ausgehe: Wir kommen mit vielen unserer Konkurrenten sehr gut klar. Die respektieren unsere lange Karriere und auch unsere Leistungen. Und generell gilt: Wer über das deutsche Eiskunstlaufen redet in der Szene, der denkt mit großem Respekt an die Zeiten, in denen die Deutschen noch Medaillen holten.

Diese Zeiten sind nun aber schon länger vorbei.

Ja, zugegeben. Es reicht im Moment einfach nicht für die absolute Weltspitze. Wir haben aber hier und dort sehr gute Talente. Das Problem ist, dass sie ihr Potenzial noch nicht im Wettkampf ausgeschöpft haben. Natürlich fehlen uns aber in der Breite die Läufer. Damit fehlt die nationale Konkurrenz. Und wenn einer der Spitzenleute verletzt ist und ausfällt, dann ist halt keiner da, der die Lücke sofort schließen kann.

Das Eistanzpaar Winkler/Lohse gehört in den USA, wo Eiskunstlaufen sehr populär ist, nicht gerade zu den Zugnummern. Wie werden Sie denn bei den großen Schaulauf-Wettbewerben in den USA behandelt?

Auf keinen Fall wie Leute zweiter Klasse. Wir wurden immer gut behandelt. Die Verantwortlichen schätzen es, wenn ein Sportler sich unter den Top Ten etabliert hat. Aber natürlich sind wir nicht so eine Hausnummer wie andere. Uns fehlen da einfach die notwendigen Erfolge für so einen Status. Wir waren auch zu selten in den USA. Dort und auch in Kanada gibt es einfach eine Reihe erstklassiger Läufer. Dort werden die Topleute auch mehr in die Öffentlichkeit gebracht. Mit dem Erfolg, dass sie Vorbilder für Talente sind. So kommen immer wieder neue, gute Sportler nach.

Dafür haben Sie hier nicht diesen gnadenlosen Konkurrenzkampf und die Eifersüchteleien, die in den USA zum schlechten Ton gehören.

Ich denke nicht, dass dies ein echtes Problem ist. Genau das fehlt doch in Deutschland. Man sagt nicht umsonst, dass die Konkurrenz das Geschäft belebt.

Mal angenommen, Sie liefen Arm in Arm mit Kati Witt durch Los Angeles oder New York. Glauben Sie, Sie würden auch mal aufs Foto kommen?

Klar, ich wäre auf den Fotos. Das ist doch ein Bild: ein Mann, Arm in Arm mit Kati Witt. Stellen Sie sich mal vor, wie das die Gerüchteküche anheizen würde.

Das Gespräch führte Frank Bachner.

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