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© dpa

Europa League: Das kleine Europa

Gegen Ventspils am Donnerstag im Olympiastadion kann Hertha BSC nur wenig gewinnen, trotzdem geht es für die Berliner um viel.

Berlin - „Endlich wieder raus auf den Platz“, sagt Michael Preetz, und dass diese Europa League eine großartige Sache sei. Außerdem sagt der Manager von Hertha BSC, dass er sich auf dieses Spiel freut, und keiner möge doch bitte von lästiger Pflichtaufgabe reden, „dafür hat die Mannschaft das letzte Jahr hart gearbeitet und sich mit diesem Spiel belohnt“. Es ist eine Belohnung von zweifelhaftem Wert. Europa kommt nach Berlin, aber es ist das kleine Europa, am Donnerstag in Gestalt des FK Ventspils. Vor ein paar Monaten hat Hertha BSC noch vom großen Europa geträumt. Von der Champions League und Real Madrid, und es ist nicht Michael Preetz anzulasten, dass es damit nicht geklappt hat, aber er muss es eben in der Öffentlichkeit vertreten und sich deshalb auf dieses Spiel freuen.

Der FK Ventspils ist Lettischer Meister und spielt in einem Stadion, dass so ähnlich heißt wie das in Berlin. 3000 passen ins Olimpiskais Stadions, 500 kamen am Sonntag zum 1:0 über Dinaburg. In Berlin werden 30 Mal so viele erwartet. Das ist schon großzügig geschätzt und doch ein bisschen wenig, findet Jaroslav Drobny. „Das Stadion ist einfach zu groß“, sagt Herthas Torwart.

So unterschiedlich sind die Maßstäbe. Für Ventspils ist das Spiel in Berlin einer der Höhepunkte der Saison, für Hertha ist im ungünstigsten Fall eine Blamage drin, im günstigsten ein Sieg, den ohnehin jeder erwartet hat. Kann man sich gegen Ventspils Selbstbewusstsein für die nächsten Spiele in der Bundesliga holen? Jaroslav Drobny überlegt einen Augenblick und antwortet, dass „du in solchen Spielen zeigen musst, ob du einen guten Charakter in der Mannschaft hast, und ich finde, dass wir einen guten Charakter haben“. Sonst gebe es da nicht viel zu reden, „wir müssen gegen Ventspils gewinnen und dann am Sonntag gegen den SC Freiburg drei Punkte holen“.

Lucien Favre hat sich in den vergangenen Tagen zwei DVDs mit den Spielen der Letten in der Qualifikation zur Champions League gegen den FC Zürich angeschaut. Das hat ihn ein paar Stunden gekostet und war doch vergebene Liebesmüh, denn Ventspils’ Mannschaft ist jetzt eine andere, „die haben fünf neue Spieler gekauft“, sagt Herthas Trainer. Zum Beispiel Ronny Hodel, einen früheren Schweizer Junioren-Nationalspieler, der Schweizer Favre hat ihn schon für Young Boys Bern und den FC Basel spielen sehen, „ein linker Verteidiger, körperlich sehr stark“. Aber neue Spieler hin, inaktuelle DVDs her: „Ventspils ist in diesem Spiel nicht der Favorit“, behauptet Favre, was immer noch ein wenig verschwurbelt klingt, für seine Verhältnisse aber eine sehr offensive Aussage ist.

Auch die von Hertha erhofften 15 000 Zuschauer werden eine ungewohnte Mannschaft zu sehen bekommen, wenn auch keine so radikal erneuerte wie die aus Lettland. Der Schwede Rasmus Bengtsson wird nach seinem ansprechenden Debüt beim sonst wenig ansprechenden 1:2 in Mainz von Beginn an in der Innenverteidigung stehen, angeleitet vom zuletzt verletzten Nationalspieler Arne Friedrich, von dem Torwart Drobny sagt, dass er lieber mit ihm als ohne ihn spielt. Im Angriff steht laut Favre „ein sehr großes Fragezeichen hinter Raffael“, aber wer den Brasilianer über den Trainingsplatz hat hüpfen sehen, kann sich seinen Teil denken.

Neben Raffael wird Adrian Ramos stürmen, denn Herthas kolumbianische Neuerwerbung benötigt jede Minute Spielpraxis zur Eingewöhnung. Der ehemalige Stürmer Preetz charakterisiert den aktuellen Stürmer Ramos als „einen sehr schnellen und wendigen Mann, der jetzt so schnell wie möglich integriert werden muss“ und deshalb nicht nur Tore schießen, sondern auch die deutsche Sprache erlernen soll. Zurzeit versteht sich der Kolumbianer allein auf das in Herthas Vielvölkerkader eher unterrepräsentierte spanische Idiom.

Wie reden die Spieler mit Ramos, Herr Drobny? „Also ich habe noch gar nicht mit ihm gesprochen, aber ich bin ja auch der Torwart und stehe auf der anderen Seite des Platzes.“ Im Übrigen gebe es auf dem Rasen eine universelle Sprache, die jeder Stürmer der Welt beherrschen sollte. „Das sind Tore“, sagt Drobny, und solange Ramos sich damit verständige, sei alles bestens. Das ist wohl als leise Kritik zu verstehen an einem, der zwar fließend Polnisch und Deutsch spricht, aber nicht mit Toren. Artur Wichniarek dürfte die Berliner Premiere in der Europa League von der Bank aus erleben.

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