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Sport: Fabelhafte Finanzen

Hertha BSC geht es schlecht – doch die Misere ist nicht existenzbedrohend, beteuert die Vereinsführung

Berlin - Dieter Hoeneß bemühte sich, gefasst zu sein. „Unsere Lizenz war und ist nicht gefährdet“, sagte der Manager von Hertha BSC auf einem am Montag eilig einberufenen Pressegespräch in der Geschäftsstelle des Fußball-Bundesligisten am Berliner Olympiastadion.

Die Diskussion um Herthas Finanzen war auf der Grundlage mehrerer Ereignisse entbrannt. Wie berichtet, hatte sich das Land Berlin verpflichtet, die Betreibergesellschaft des Olympiastadions vollständig in eigener Regie zu übernehmen, um Hertha damit von diesem Verlustbringer zu entlasten. Außerdem deckten Recherchen des RBB auf, dass Hertha die Spielerprämien für den Monat September zu spät gezahlt hat. Im Sommer konnte sich Hertha außerdem den sportlich gebotenen Kauf eines Stürmers nicht leisten. Erst in letzter Minute wurde Marko Pantelic für geschätzte 250 000 Euro ausgeliehen, Hertha besitzt für ihn im Juni 2006 eine Kaufoption. Zudem mehrten sich zuletzt Gerüchte über verspätete Zahlungen an Lieferanten. Hoeneß verwies dies am Montag allerdings „ins Reich der Fabeln“. In Vereinskreisen ist davon die Rede, dass der Etat seit längerer Zeit auf Kante genäht sei. In den drei Geschäftsjahren zwischen 2001 und 2004 hatte Hertha Verluste von insgesamt 16 Millionen Euro gemacht und war zu einem Sparkurs gezwungen. Für das Geschäftsjahr 2004/2005 kündigte der für Finanzen zuständige Geschäftsführer Ingo Schiller positive Zahlen an.

Die Verbindlichkeiten zum Stichtag 30. Juni 2005 belaufen sich laut Schiller auf 30 bis 35 Millionen Euro. Rund 18 Millionen davon sind kurzfristige Verbindlichkeiten bei Banken und Kreditinstituten, heißt es im Verein. Diese müssen innerhalb eines Jahres ausgelöst, verlängert oder in langfristige Verbindlichkeiten umgewandelt werden.

Aufsichtsratschef Rupert Scholz hatte am Sonntag im RBB nur von Verbindlichkeiten von 10 bis 20 Millionen Euro gesprochen. Vereinsintern löste der Fernsehauftritt Kritik und Irritationen aus. Auch die verspätete Prämienzahlung wird vereinsintern als Fehler bewertet. Schiller sprach am Montag lediglich von einem „buchhalterischen Problem“. Andere Spitzenkräfte des Vereins sehen das anders. „Jedem, der uns jetzt mangelnde Transparenz vorwirft, muss man Recht geben. Wir müssen mehr Transparenz schaffen, das ist Aufgabe der Kaufmännischen Geschäftsführung, also von Herrn Schiller“, sagte ein Mitglied des Aufsichtsrates dem Tagesspiegel. „Unsere Informationen nach außen waren nicht ausreichend, das muss sich schnell ändern.“

Hertha BSC hatte seine Finanzlage im Februar dieses Jahres in einem Prospekt veröffentlichen müssen, um eine Anleihe in Höhe von sechs Millionen Euro bei der Berliner Volksbank zu bekommen. In dem Papier wurden die Verbindlichkeiten für den Stichtag 30. Juni 2004 mit 34,7 Millionen Euro angegeben. Bei der Mitgliederversammlung von Hertha im Mai dieses Jahres sagte Schiller, dieser Summe stünden garantierte Einnahmen durch Sponsoren, Fernsehrechte und Dauerkartenverkauf in Höhe von 16 Millionen Euro gegenüber.

Dass Hertha BSC wegen seiner finanziellen Situation aus der Betreibergesellschaft des Olympiastadions aussteigen muss, war schon vor mehreren Monaten klar. Durch Herthas Ausstieg aus der Betreibergesellschaft muss der Senat jetzt weitere 40 Millionen Euro Darlehen übernehmen. Die Summe soll noch im Haushalt 2005 verbucht werden. Außerdem bekommt Hertha eine als Mitglied der Betreibergesellschaft bezahlte Einlage und ein geleistetes Darlehen in Millionenhöhe zurück. Hoeneß sagte am Montag, der Senat sei mit dem Anliegen, die Stadiongesellschaft in städtische Hand zu überführen, auf Hertha zugekommen.

Die Lage war offenbar so schlecht, dass der Verein außerdem die bisherige Miete verringern lassen wollte. Auch die Stadt war daran interessiert, da sie Hertha als Hauptnutzer des Stadions nicht in Schwierigkeiten bringen wollte, heißt es jetzt in Senatskreisen. „Wir können nicht die Kuh schlachten, die wir melken wollen“, sagte Sportsenator Klaus Böger (SPD). Bislang hatte der Verein jährlich rund 4,4 Millionen Euro Miete bezahlt, so lange er nicht in der Champions League spielt. Diese Summe war dem Klub zu hoch. Deshalb beantragte Hertha beim Senat eine Reduzierung der Miete für zwei Jahre auf jährlich 3,2 Millionen Euro. Bedeutsam ist die Begründung, die Böger in einer Vorlage an den Unterausschuss Vermögensverwaltung des Hauptausschusses des Abgeordnetenhauses formulieren ließ: „Hertha BSC ist schon jetzt kaum in der Lage, seine Pacht und die Nebenkosten für die OSta BG (Olympiastadion Berlin GmbH - Anm. der Red.) zu zahlen. Ein Insolvenz- und Lizenzrisiko bei Hertha BSC wäre mögliche Folge.“ Nach Informationen des Tagesspiegel hatte Böger in einer Sitzung des Vermögensausschusses die Finanzlage von Hertha ernster dargestellt als in der Öffentlichkeit bekannt. Die Sportverwaltung dementierte am Montag, dass sie in Ausschusssitzungen von einer Insolvenz Herthas gesprochen habe. Am 10. Juni wurde die verringerte Miete dann beschlossen.

Auf den Hinweis zur Insolvenz- und Lizenzgefahr in der Ausschuss-Vorlage beziehen sich alle Äußerungen von Politikern, die sich jetzt zu Wort melden. Auch Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, der sich am Sonntag zu Herthas Situation geäußert hatte, „besitzt keine Zahlen von Hertha BSC“. Er wundert sich allerdings sehr über die Einschätzung des Hertha-Aufsichtsrats-Vorsitzenden Rupert Scholz. Der hatte die Lage bei Hertha als „nicht dramatisch“ dargestellt. „Wenn die Situation nicht so schlimm ist, sollte die Miete nicht verringert werden. Ich muss schließlich Schülern und Eltern erklären, weshalb man marode Schulen nicht sanieren lassen kann“, sagte Esser.

Der Senat ist schon vor Monaten Hertha beigesprungen. Der Verein hatte eine Art Bürgschaft für Kredite von Walter Bau übernommen, die das Stadion gebaut hatte und einen Anteil an der Betreibergesellschaft der Arena erwerben sollte. Doch Walter Bau ging pleite; Hertha BSC sollte deshalb als Bürge im ersten Halbjahr 2005 zwei Millionen Euro zurückzahlen. Doch diese Pflicht überforderte Hertha, und der Senat übernahm die Zahlung. ale/fmb/ide/ist/miro

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