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Fackel

© pa/dpa

Fackellauf: Länger, tiefer, politischer

Der olympische Fackellauf hat sich seit 1936 stark verändert. Proteste hat es dabei immer wieder gegeben.

Bisher waren die Fackelläufer meist einfach nur Vorboten der Olympischen Spiele. „Wie die Kerzen auf dem Adventskranz Weihnachten ankündigen“, sagt Manfred Lämmer, Professor für Sportgeschichte an der Sporthochschule in Köln. So viel Politik wie diesmal hat den Fackellauf jedenfalls noch nie begleitet, nicht einmal bei seiner Premiere 1936.

Die olympische Flamme haben bei den Spielen der Neuzeit zum ersten Mal die Holländer entzündet, 1928 in Amsterdam. Aber erst für die Spiele 1936 wurde daraus ein Lauffeuer. Die Idee für den Fackellauf hatte höchstwahrscheinlich Carl Diem, der Generalsekretär des Organisationskomitees und führende deutsche Sportfunktionär. Lämmer sieht dahinter Diems Bewunderung für die antiken griechischen Ideale: „Es war eine reine philhellenische Schwärmerei von Diem.“

Für die Spiele 1936 fanden jedoch zwei Interessen zusammen, das von Diem nach einem olympischen Symbol und das der Nationalsozialisten: Ihnen kam die Fackel als Anspielung auf den germanischen Feuerkult gerade recht. Bei der Organisation des Fackellaufs war das Reichspropagandaministerium dann auch intensiv eingebunden, wohl bis zum Propagandaminister Joseph Goebbels. „Ohne Zustimmung des Ministers wäre das nicht gemacht worden“, sagt Sporthistoriker Arnd Krüger, Professor an der Universität in Göttingen.

Nach der Entzündung des Feuers in Olympia legte die Fackel mit 3331 Läufern eine Strecke von 3187 Kilometern zurück. Auch damals gab es politischen Protest. Der Plan des kommunistischen Jugendverbandes Griechenlands, die Fackel aufzuhalten, scheiterte jedoch. Vor allem in der Tschechoslowakei gab es dafür sichtbaren Widerstand. „Die Tschechen fühlten sich von den Deutschen am meisten bedroht. Deshalb gab es in Prag auch Gegendemonstrationen“, sagt Krüger.

Das Ritual scheint allerdings nicht so stark mit der Propaganda der Nationalsozialisten in Verbindung gebracht worden zu sein. Sonst hätten es wohl nicht die Engländer bei den ersten Spielen nach dem Zweiten Weltkrieg 1948 übernommen. „Und wer hat sie dabei beraten? Carl Diem. Während die Deutschen von den Spielen ausgeschlossen waren, saß Carl Diem als Ehrengast der Engländer auf der Tribüne“, sagt Lämmer.

Die Ausrichter dachten sich für die Fackelläufe meist ein Motto aus, in London 1948 war es Frieden,1960 in Rom die Antike, Mexiko 1968 wollte auf den Spuren von Kolumbus alte und neue Welt miteinander verbinden. Der Transport der Flamme wurde von Olympiade zu Olympiade aufwändiger, 1964 in Tokio war sie im Flugzeug unterwegs, 2000 auf dem Weg nach Sydney beförderte sie ein Taucher mit einer speziellen Fackel durch den Ozean über das Große Barriereriff.

Proteste hat es dabei immer wieder gegeben. „Aber im Medienzeitalter ist es umgeschlagen. Und dass der Hintergrund so massiv politisch war wie jetzt, ist eine neue Qualität“, sagt Sporthistoriker Lämmer. Der Fackellauf wird also nicht mehr das bleiben, was er war. „Wie soll es zum Beispiel 2014 in Sotschi werden? Minderheitenprobleme gibt es in Russland schließlich genug“, sagt Lämmer.

Er selbst hat auch schon Proteste erlebt. Auf dem Weg zu den Winterspielen 1994 nach Lillehammer kam die Fackel an der Sporthochschule in Köln vorbei – in Anwesenheit des damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch. Aus Ablehnung gegenüber dem Leistungssport hätten einige Studierende von oben mit Wasserkübeln die Flamme zu löschen versucht. Das Feuer brannte jedoch weiter, „nur unser Rektor wurde nass“.

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