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Fall Pizarro: Sturmflut aus Peru

Werder Bremen fürchtet, dass sich der Transfer-Skandal um den Peruaner Claudio Pizarro noch ausweitet

Niemand mag sich dieser Tage vorstellen, was aus der aktuellen Werder-Mannschaft ohne Diego würde. Unnachahmlich, wie der Brasilianer in Bremer Diensten am Sonntag einen Freistoß gegen den VfB Stuttgart ins Tor zwirbelte. Doch schon zur Halbzeit wurde Diego von Stuttgarts Torwart Jens Lehmann beleidigt, der Diego einen „Cheater“ nannte, was in England, wo Lehmann mal bessere Manieren offenbarte, Betrüger heißt. Hinterher wollte Klaus Allofs, nach dem Aufstieg zum vorläufigen Vorstandsvorsitzenden der starke Mann bei Werder, den Streit nicht überbewerten. „Jens Lehmann ist nicht so wichtig, dass man sich nach einem 4:0 mit ihm beschäftigen muss“, bemerkte Allofs spitz.

Zumal Allofs im Moment Sorgen ganz anderer Art hat. Seit gestern ist aus Lima übermittelt, dass sich Carlos Delgado, der als einer der wichtigsten Strippenzieher im südamerikanischen Fußball ein Vermögen von mehr als 100 Millionen Dollar angehäuft haben soll, wegen des Verdachts der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung vor der Justiz verantworten muss. Sein Mandant, Kompagnon und Werders wichtigster Spieler neben Diego, Claudio Pizarro, soll als stiller Teilhaber der Delgado-Firma Image am 23. März gehört werden. Die Affäre wirkt so, als habe dort, wo die Weser einen Bogen macht und das Stadion für viele, viele Millionen umgebaut wird, eine gewaltige Sturmflut das grün-weiße Fundament unterspült. Aufsichtsratschef Willi Lemke spielte am Sonntag nicht umsonst den Schadensbegrenzer: „Was gerade geschieht, ist für unser gutes Image völlig kontraproduktiv.“ Einerseits zollte Lemke Pizarro nach dessen Tor gegen den VfB „hohen Respekt“. Andererseits bekomme er „Schüttelfrost, wenn etwas gegen die Fifa- oder Uefa-Statuten verstößt“, sagte Lemke. Pizarro etwa könne sich bitteschön „an Autohäusern oder sonst etwas“ beteiligen, beim Mitkassieren bei Transfers wäre auch Lemkes Geduld erschöpft. Dafür drohen bis zu zweijährige Fifa-Sperren.

„Die ersten Dokumente, die wir einsehen konnten, weisen glücklicherweise nicht darauf hin“, sagt Lemke, der Werder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ins Haus geholt hat, die mindestens vier Wochen lang ermitteln wird. Der UN-Sonderberater Lemke geriert sich als Krisenmanager, streitet aber jegliche Gelüste auf eine Rückkehr in die Geschäftsführung ab, „ich habe doch schon einen Traumjob“. Lemke bedauert, dass die Bremer „keinen Zugang zu Delgados Aktenkoffer“ haben: „Wir wissen ja nicht, was morgen, übermorgen und nächste Woche aus Peru noch bekannt wird.“ Pizarro soll 30 Prozent der Transferrechte an seinem 2001 verpflichteten Landsmann Roberto Silva besessen haben. Dummerweise soll das Gros der 1,35 Millionen Dollar Ablöse über Umwege an ihn und an Delgado geflossen sein. Dessen im Trennungsstreit zu allem entschlossene Exfrau ist im Besitz von 4000 Aktenseiten mit brisantem Material.

Anders als Lemke glaubt Allofs mehr an das Gute als an das Schlechte in der Causa Pizarro: „Es besteht kein Grund, von Claudio abzurücken. Ich kann nicht erkennen, dass er etwas Unrechtes getan hat.“ Doch Allofs wirkt dieser Tage arg angespannt. Und das hat am wenigsten damit zu tun, dass sein Spielmacher vorgestern von Jens Lehmann beschimpft wurde oder sein Verein am Mittwoch im Uefa-Cup-Rückspiel bei AS St. Etienne der Abschied von der internationalen Bühne droht.

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