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Sport: Fehler, die sonst nicht passieren - Auf der Zielgeraden gerät der FC Bayern in Panik

Ihre Nervosität war greifbar. Mehmet Scholl schien den Tränen nahe, als er sagte: "Auch andere müssten mal merken, wie es ist, wenn der Gegner jedesmal mit Schaum vorm Mund einläuft.

Ihre Nervosität war greifbar. Mehmet Scholl schien den Tränen nahe, als er sagte: "Auch andere müssten mal merken, wie es ist, wenn der Gegner jedesmal mit Schaum vorm Mund einläuft." Michael Tarnat rastete mitten in der zweiten Hälfte aus, als 1860-Trainer Werner Lorant an der Seitenlinie den Ball nicht gleich zum Einwurf herausgab. Und Carsten Jancker wusste in seinen 49 Minuten Einsatzzeit nichts Besseres anzufangen, als seinen Gegner Martin Stranzl mit beiden Beinen voraus und voller Absicht anzuspringen.

Der FC Bayern verlor auch das zweite Münchner Derby dieser Saison gegen den TSV 1860. Diesmal mit 1:2, diesmal gegen tapfere, aber insgesamt nicht unschlagbare Löwen. Doch es schien, als habe der reine Fakt, dass sich die "Sechziger" nicht gleich in ihr Schicksal ergaben (und sogar zweimal in Führung gingen) den Favoriten total verunsichert. Die Bayern waren in Panik versetzt, in die man offenbar gerät, wenn man in eine völlig neue Situation kommt. Klar, der Gegner geht schon mal in Führung. Aber dann wird schnell der Ausgleich gemacht, und es geht zack, zack, zack. Das Führungstor von Martin Max, bei dem er völlig verlassen inmitten konfuser Bayern-Defensiver stand, konnte Mehmet Scholl noch umgehend egalisieren. Aber dann kam Oliver Kahn.

Natürlich stritt er hernach ab, der fiese Golfballwurf von Freiburg habe etwas mit seiner Leistung im Derby zu tun. Zusammenhang oder Zufall: Kahn lieferte die schlechteste, weil fahrigste Vorstellung einer ganzen Saison ab. Das kennt man nicht von ihm, dass er einen Ball nach vorne herausrutschen lässt und der Gegner an sich nur noch einschieben bräuchte. Gut, dass es Martin Max nicht tat. Kurz danach die Flanke, die zum 1:2 führte. Da kann man Jens Jeremies fast keinen Vorwurf machen, denn in einer Mannschaft mit Niveau der Bayern muss der Torwart diese Flanke in den Fünf-Meter-Raum locker abfangen. Kahn zögerte, und Franz Beckenbauer schimpfte zu Recht: "Entweder er geht entschlossen hin oder gar nicht." So jedenfalls sei Jeremies beim Kopfball ins eigene Netz irritiert gewesen. Das Fernsehen bewies zwar, dass Kahn lautstark gerufen hatte und Jeremies hätte wegbleiben müssen. Ob Fehler Kahn oder Fehler Jeremies - auch so etwas passiert den Bayern für gewöhnlich nicht. Kahn gab sich kleinlaut, aber trotzig: "Ich bin ein Mensch und nehme für mich in Anspruch, auch mal Fehler zu machen." Vielleicht muss man aber als Spitzenteam mit Spitzenansprüchen in dieser Phase der Saison Unmenschliches leisten. Sie wirken alle reichlich sensitiv, die sonst so Kühlen und Souveränen.

Noch in der Woche hatten sie nach dem überzeugenden Sieg in Freiburg hundertprozentige Selbstsicherheit versprüht. Die Tabellenführung sei die Situation, die sie sich wünschen, vorne stehen, das Feld anführen. Und obwohl am Sonnabend nicht die Leverkusener parallel auf der Videowand per Ergebniseinblendung Tore vorlegten, waren die Bayern blockiert. Erklärung: keine. Auch Trainer Ottmar Hitzfeld hatte keine. Er pendelte zwischen "das kann nicht passieren" (das erste Tor) und "das darf nicht passieren" (das zweite Tor) - aber warum es doch passierte, wusste er nicht. Vielleicht lag es daran, dass beim Aufholversuch der Kapitän und Kopf der Mannschaft fehlte. Stefan Effenberg schied kurz vor der Pause mit einem Muskelfaserriss aus und fehlt in den nächsten drei Wochen. Noch mehr schlechte Nachrichten - da bleibt Hitzfeld nur, sich Mut zu machen: "Auch Leverkusen kann überraschenderweise noch Punkte liegen lassen."

Detlef Dresslein

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