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Jim Boyce, 70, ist seit 2011 einer von sieben Fifa-Vizepräsidenten. Im Mai scheidet der Ire (li.) aus dem Exekutivkomitee aus.

© imago sportfotodienst

Fifa-Vizepräsident Jim Boyce im Interview: „Mich nervt das schlechte Image der Fifa“

Fifa-Vizepräsident Jim Boyce spricht im Interview über die WM-Turniere in Russland 2018 und Katar 2022 sowie die Präsidentenwahl.

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Herr Boyce, der Ruf des Fußball-Weltverbandes ist mies. Ist es überhaupt noch angenehm, Fifa-Vizepräsident zu sein?

Auf einem Flug von Belfast nach London sagte mal ein Passagier zu mir: „Ich dachte, bei all den braunen Umschlägen, die Sie jetzt kriegen, sitzen Sie in der ersten Reihe.“ Das hat mir wehgetan. Ich kann ehrlich sagen, dass ich nie einen Penny angenommen habe. Aber so ist nun mal die Wahrnehmung der Fifa. Sie wurde jedoch von Leuten erzeugt, die vor einigen Jahren korrupt waren.

Das hat sich mittlerweile also vollkommen geändert?

Als ich 2011 Fifa-Vizepräsident wurde, gab es furchtbar viele Skandale. Viele Schlagzeilen waren gerechtfertigt. Aber ich habe viele Veränderungen gesehen, eine Ethikkomission wurde eingerichtet, die Hälfte dieser Leute ist weg. Ich sage immer: Wer sich nicht ordentlich verhält, sollte nicht hier sein. Es gibt viele gute Leute hier. Aber ich sage nicht, dass alles bei der Fifa zu 100 Prozent perfekt ist.

Nicht perfekt ist zum Beispiel, dass der Report des Fifa-Ermittlers Michael Garcia über die Vergaben der WM-Turniere 2018 und 2022 noch nicht veröffentlicht wurde.

Ich war immer dafür, den Garcia-Report zu veröffentlichen. Und wenn darin klar und deutlich stehen würde, dass es große Verfehlungen gegeben hätte, dann wäre ich für eine Neuwahl des Ausrichters. Ich habe den Bericht selber nie zu Gesicht bekommen, aber integre Persönlichkeiten innerhalb der Fifa und sechs Anwaltskanzleien haben ihn geprüft und nicht genug Hinweise für eine Neuvergabe der Turniere gefunden.

Glänzend. Gestern sollte die Frauen-WM 2019 vergeben werden.
Glänzend. Gestern sollte die Frauen-WM 2019 vergeben werden.

© dpa/Friso Gentsch

Warum sind Sie für eine Veröffentlichung?

Wer nichts zu verbergen hat, sollte eine Veröffentlichung nicht fürchten. Wann der Bericht jedoch veröffentlicht wird, weiß ich nicht. Es werden ja immer noch einige Personen durch die Ethikkommission untersucht.

Welche Reformen wären außerdem nötig?

Es sollte Beschränkungen bei Alter und Amtszeiten geben. Zum Beispiel ein Maximum von drei Wiederwahlen und ein Höchstalter von 71 Jahren. Das nähme viel Feindseligkeit gegenüber der Fifa. Aber dieser Vorschlag wurde im vergangenen Jahr vom Fifa-Kongress mit großer Mehrheit abgelehnt. Ich habe da eine andere Meinung, aber ich muss das Ergebnis in einer Demokratie akzeptieren.

Ist es nicht Teil des Problems, dass bei der Fifa jeder Verband die gleiche Stimme hat?

In den Statuten steht das nun mal. Das wird sich nicht ändern, das werden all die kleinen Verbände nicht zulassen.

Was geändert wurde, ist die Verlegung der Weltmeisterschaft 2022 in Katar vom Sommer in den Winter, was Sie als Mitglied des Exekutivkomitees am Donnerstag in Zürich nun bestätigt haben. Ist die Verlegung eine gute Entscheidung?

Wir müssen spielen, wenn Spieler und Fans die besten Bedingungen haben: im Winter. Man kann Stadien klimatisieren, aber kein ganzes Land. Die Ligen machen nun viel Getöse, aber für ein Jahr wäre so eine Verschiebung machbar. Die Ligen müssten nur Kompensationen erhalten.

Wäre es nicht ehrlicher gewesen, die WM gleich für den Winter auszuschreiben?

Dazu kann ich nichts sagen. Als Katar den Zuschlag erhielt, war ich noch nicht dabei.

Neben Katar gibt es viele Kontroversen um die WM 2018 in Russland. Politiker fordern einen Boykott.

Sport und Politik sollten streng getrennt bleiben. Sport bringt Menschen zusammen, das habe ich in Nordirland erlebt. Ich bin gegen Boykotte, sie bringen nichts. Aber wir sind eine demokratische Gesellschaft, wenn jemand nicht teilnehmen will, liegt das bei ihm. Wir sollten die WM als reines Sportevent angehen.

Diese Trennung ist doch unrealistisch. Genau deshalb bringen die WM-Entscheidungen für 2018 und 2022 der Fifa doch so viel Kritik ein.

Das Image der Fifa ist schlecht, ja. Aber die Menschen wollen das Gute über die Fifa nicht wissen. 75 Prozent der Einnahmen werden wieder für die Verbände und Fußballprojekte ausgegeben. Mich nervt, dass alle denken, bei der Fifa gibt es nur Leute, die geschmiert werden und Umschläge bekommen. Dabei haben Politiker, Banker und Manager die gleichen Probleme. Ja, in der Vergangenheit gab es in den Fifa-Gremien Menschen, die sich nicht korrekt verhalten haben. Doch gegen die wurde und wird vorgegangen. Die vielen guten Leute in der Fifa sollten nicht in die gleiche Schublade gesteckt werden.

Haben Sie persönlich denn etwas von Korruption mitbekommen?

Korruption kann man nicht so offensichtlich sehen. Wir haben unabhängige Komitees eingesetzt und weitere Maßnahmen ergriffen. Leute wurden ausgeschlossen. Was kann man mehr tun?

Ist es für Sie schwer, sauber zu bleiben?

Schauen Sie sich meine Uhr an: Die kostet nur 200 Pfund.

Wollen Sie auf die Geschichte mit der Uhr hinaus, die Sie im vergangenen Jahr angeblich erhielten?

Bei der WM in Brasilien stand eine Geschenktüte in meinem Hotelzimmer, mit brasilianischem Verbandslogo darauf. Da waren Kappen drin, Wimpel, das Zeug habe ich den Leuten in meinem Heimatverein geschenkt. Später rief mich eine Reporterin an und fragte, ob ich eine Uhr erhalten habe. Ich suchte die Tüte in meiner Garage und fand eine Uhr, die sah nicht teuer aus, mit Gummiarmband, war aber 16 000 Pfund wert. Ich habe das sofort der Fifa gemeldet. Warum weist der brasilianische Verband nicht darauf hin, dass er da Sponsorengeschenke verteilt?

Sie sehen sich in die falsche Ecke gedrängt?

Ich antwortete so offen und ehrlich, wie ich kann. Ich habe auch keine Hemmungen, mit der Presse zu sprechen. Das ist leider nicht bei allen so. Die Fifa hat viel schlechte Presse. Ich kritisiere keine Journalisten, die sagen, korrupte Leute sollen weg. Sie haben recht. Aber vielleicht wurde bei mancher Kritik übertrieben.

Im Fokus der Kritik steht meist Sepp Blatter. Ist er als Fifa-Präsident mit schuld am schlechten Image des Weltverbands?

Ich werde beim Blatter-Bashing nicht mitmachen. Ich hatte persönlich nie ein Problem mit ihm, warum sollte ich also schlecht über ihn reden? Mehr kann ich dazu nicht sagen. Wenn es ein Alters- oder eine Wiederwahlgrenze gäbe, wäre jetzt vieles anders. Am Ende entscheidet der Kongress im Mai, wen er als Präsidenten haben will.

Wie erleben Sie das Rennen zwischen Amtsinhaber Blatter und seinen Herausforderern Michael van Praag, Luis Figo und Prinz Ali bin Al Hussein, die sich am 29. Mai auf dem Fifa-Kongress in Zürich ebenfalls als Präsident zur Wahl stellen?

Es ist gesund, dass es drei Gegenkandidaten gibt. Natürlich hätte ein einzelner Gegenkandidat mehr Unterstützung hinter sich sammeln können. Aber die Leute schreien ja nach Veränderung, jetzt kann die Demokratie entscheiden. Dabei wünsche ich mir jedoch, dass die Kontinentalverbände den einzelnen Nationalverbänden nicht vorgeben, wen sie zu wählen haben. Das sollte jeder selbst entscheiden dürfen.

Wird nicht am Ende aber der Kandidat gewählt, der den Verbänden die meisten Gegenleistungen verspricht?

Da haben Sie vermutlich recht. Man wird sehen, was passiert.

Das Gespräch führten Dominik Bardow und Johannes Nedo.

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