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Sport: Finalreife Fans

Unions Anhänger feiern – trotz der 0:5-Niederlage

Berlin. Reiner Calmund stand vor der Fernsehkamera der ARD. Von oben kam Regen, von der Seite der Hohn. „Ohne Calmund wär das Stadion leer“, sangen die Fans des 1. FC Union, und irgendwann musste auch der Manager von Bayer Leverkusen lachen. Calmunds Format sieht so aus: 140 Kilo Körpermasse, verteilt auf 1,71 Meter Länge.

Am späten Mittwochabend war das, kurz nachdem Bayer Leverkusen die Zweitligafußballer des 1. FC Union mit Leichtigkeit im DFB-Pokal 5:0 besiegt hatte. Von einer Pokalüberraschung durften die Berliner nur 36 Sekunden träumen, dann lagen sie schon 0:1 zurück. „Ich habe gedacht, das wird eine ganz schlimme Trauerfeier“, sagt Unions Aufsichtsratschef Uwe Rade am nächsten Tag. „Aber was dann passierte, war unglaublich.“

Im Stadion an der Alten Försterei spielten sich absurde Szenen ab. Während die Berliner hilflos über den Rasen stolperten und ein Tor nach dem anderen kassierten, forderten die 15 000 Fans sie immer lauter auf, doch wenigstens den symbolischen Anschlusstreffer zu erzielen – beim Stand von 0:5. So viel Ironie war lange nicht. Die Fans schossen Raketen in den Himmel und sangen „Fiiinaaale, ohoo“. Karneval in Köpenick. Mitten im Oktober.

„Das Publikum war einfach sensationell“, sagte auch der Leverkusener Profi Hanno Balitsch. Und Unions Präsident Jürgen Schlebrowski fand: „Die eigentlichen Gewinner an diesem Abend sind die Fans.“

Vielleicht hat das Chaos in den Berliner Führungsgremien eine schöne Nebenwirkung hervorgerufen. Zuversicht gibt es wenig, also lasst uns feiern! Ein bisschen war die Stimmung wie früher, als die Fans bei den Finanzskandalen des Klubs nicht mehr durchblickten und ihren Verein Woche für Woche immer lauter feierten. So war es auch gegen Leverkusen. Fünf Gegentore, schlimmer Fußball, gerade nach dem hoffnungsvollen Sieg gegen Arminia Bielefeld am vergangenen Wochenende – und trotzdem keine Pfiffe.

Der Abend tat Unions Image gut. In den vergangenen zwei, drei Jahren ist Union so normal geworden wie jeder andere Fußballverein. Der Zuschauerschnitt sank von 9000 Fans pro Spiel im Aufstiegsjahr auf 7700 in der vergangenen Saison. Mittlerweile liegt er wieder bei 8600. Und das bei einem Klub, der Vorletzter ist. Am Montag wird die Party in der Alten Försterei weitergehen. Dann kommt Alemannia Aachen. Ein Flutlichtspiel. Union macht dann am meisten Spaß – selbst bei einer Niederlage.

André Görke

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