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Sport: Finanzielles Mittelfeld

Trotz seiner zwei World-Bowl-Siege kann das Football-Team Berlin Thunder nicht genügend Zuschauer anlocken

Eines haben die Spieler von Berlin Thunder und Frankfurt Galaxy nach dem gestrigen Spiel im Olympiastadion gemeinsam: Beide Teams der NFL Europe fahren heute nach Frankfurt. Nur werden die einen dort wieder in ihr Hotel einchecken und kurz darauf noch einmal nach Glasgow zum Finale reisen, während die anderen schon zurück in die USA fliegen müssen. Frankfurt Galaxy spielt am kommenden Samstag im World Bowl gegen Rhein Fire um den Titel in der europäischen Footballliga. Die Spieler des Titelverteidigers aus Berlin sind dann bereits zurück in ihrer Heimat.

Für die amerikanischen Thunder-Spieler endete gestern mit dem letzten Saisonspiel ein entscheidendes Kapitel in ihrer Profilaufbahn. Sie sind von ihren Teams aus der amerikanischen NFL in die Tochterliga nach Europa geschickt worden, um hier Praxis zu sammeln. Oder sie haben, wenn sie keinen Vertrag mit einem Team hatten, als Free Agents ihr Glück versucht. Nach drei Monaten und zehn Spielen müssen sie sich nun in den Trainingslagern der 32 NFL-Teams neu profilieren. Das wird nicht leicht, denn die NFL Europe wird inzwischen in der US-Liga recht ernst genommen, und da macht sich ein Platz am Tabellenende nicht gerade gut.

Andererseits brachten die beiden Titel, die Thunder in den beiden Vorjahren gewinnen konnte, auch nicht viel im Kampf um einen Platz in einem NFL-Team. Hier kommt es auf die Individualstatistik an, und die ist bei einigen Berlinern auch in diesem Jahr nicht schlecht. Denn die meisten der sieben Niederlagen waren recht knapp. „Das ist ausgleichende Gerechtigkeit“, sagt Manager Michael Lang, „im vergangenen Jahr haben wir in ähnlichen Situationen oft das Glück auf unserer Seite gehabt.“

Er ist mit der Saison in sportlicher Hinsicht unzufrieden. Anders sieht seine Bilanz auf der organisatorischen Seite aus. „Wir haben nach dem Umzug ins Olympiastadion 20 Prozent Zuschauerzuwachs. Damit bin ich zufrieden. Solange die Zahlen aber nicht so hoch sind, wie ich sie haben will, spielen wir keine gleich starke Rolle in der Liga.“ Von den Zuschauermassen, die die Ligakontrahenten Frankfurt Galaxy und Rhein Fire anziehen, ist Thunder weit entfernt. Dort ist Football mangels guter Alternativen zu einem gesellschaftlichen Ereignis geworden, obwohl man auch dort seit zwei Jahren leichte Rückgänge zu verzeichnen hat.

Das Hauptproblem für die NFL Europe ist nach wie vor die sehr kurze Saison. Nur drei Monate bleiben Lang, um das Spiel in Berlin in die Öffentlichkeit zu bringen. Eine Verlängerung der Saison wäre daher sein Wunsch. Da aber die Amerikaner gleich im Anschluss an die NFL Europe wieder in den USA im Einsatz sind, könnte diese Sommerliga nur aus Europäern oder ausgemusterten Amerikanern bestehen. Für die europäischen Spieler wäre dies von Vorteil. Sie bekämen mehr Spielzeit auf hohem Niveau, womit die NFL ihrem Ziel ein Stück näher käme, mehr gute Spieler in Europa auszubilden. Lang will diese Idee in der Pause mit den Ligakollegen diskutieren. Bis das umgesetzt werden kann, muss in der übrigen Zeit die PR-Abteilung Ideen produzieren, wie man Football ohne Football verkauft. Nicht ganz leicht, obwohl in der gesamten NFL Europe im PR- und Medienbereich sehr professionell gearbeitet wird. Hier schlägt der Einfluss der 32 amerikanischen Teambesitzer durch, denen die Liga gehört. Schließlich will die NFL ihr Produkt gut verkaufen und damit irgendwann auch richtig Geld verdienen.

Derzeit lässt sich mit der Liga aber noch kein Geld verdienen. So werden die Spieler – mit Ausnahme der nationalen Spieler – aus den USA bezahlt, und auch bei den übrigen Kosten hilft die NFL finanziell aus. Dies ist bis 2006 zugesichert. Nur Rhein Fire und Frankfurt Galaxy sind finanziell weitestgehend unabhängig. Die Sorgenkinder in der Sechserliga sind derzeit der FC Barcelona Dragons, die Amsterdam Admirals und die Scottish Claymores. Solange diese Standorte nicht den Aufschwung erleben, wird wohl auch die seit drei Jahren diskutierte Erweiterung der Liga hinausgeschoben.

Über Berlin wird derzeit wenig diskutiert. Nach fünf Jahren in der Liga liegt das Team finanziell im Plan. Die Hauptstadt sei weiterhin ein wichtiger Standort, heißt es aus der Ligazentrale. Berlin Thunder bewegt sich im Gegensatz zum sportlichen Bereich, wo man bislang Meistertitel holte oder aber den letzten Platz belegte, finanziell im Mittelfeld. Der Abstand zu den beiden Musterteams ist aber kleiner geworden. „Im Sponsoring haben wir inzwischen sogar gleichgezogen. Nur bei den Zuschauern sind wir noch weit weg.“ Daran haben selbst zwei World-Bowl-Siege nichts ändern können.

Berlin Thunder gewann gestern das letzte Saisonspiel gegen Frankfurt mit 27:14.

Ingo Wolff

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