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Neues Silber-Duo. Lewis Hamilton (l.) und Valtteri Bottas sind das neue Mercedes-Fahrerteam.

© AFP

Formel 1: Bottas statt Wehrlein: Mercedes wählt die bequeme Lösung

Mercedes verpflichtet Valtteri Bottas als Nachfolger für Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg – der schnellere Pascal Wehrlein wird zu Sauber abgeschoben

Gerüchte gab es schon lange, zuletzt wurde die Rochade in der Formel 1 immer wahrscheinlicher. Und am Montag machten es die betroffenen Teams nacheinander offiziell, das Wechselspielchen um die Nachfolge von Nico Rosberg bei Mercedes: Pascal Wehrlein wechselt zu Sauber, Williams holt den eigentlich schon zurückgetretenen Felipe Massa aus dem Ruhestand zurück – um mit ihm Valtteri Bottas zu ersetzen, der bei den Mercedes-Silberpfeilen der neue Teamkollege von Lewis Hamilton wird.

Bei Mercedes in Stuttgart war man sogar bereit, für den Finnen einen zweistelligen Millionenbetrag Ablöse an Williams zu zahlen. Und das alles, obwohl man bei den Silbernen mit Pascal Wehrlein ein äußerst vielversprechendes Talent an der Hand hatte, ohne Umstände und für verhältnismäßig wenig Geld zu haben. Was selbst die Konkurrenz feststellte, die sich in solchen Fragen bisher oft mutiger zeigte: Er könne nicht verstehen, was da abgehe, sagt etwa Red Bull-Motorsportkoordinator Helmut Marko, verantwortlich für das dortige Nachwuchsprogramm, über das unter anderem Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo und zuletzt Max Verstappen schnell an die Spitze kamen: „Wehrlein ist ein Riesentalent – warum man ihn nicht nimmt, ist mir nicht klar."

"Pascal und Lewis wären eine explosive Mischung"

Viele glauben: Mercedes traut Wehrlein den Job neben Lewis Hamilton noch nicht zu und will deshalb lieber den erfahrenen Bottas. Doch in Wirklichkeit ist es umgekehrt: Bei Mercedes weiß man ganz genau, wie stark der 22-Jährige schon jetzt wirklich ist, zwei Zehntel pro Runde etwa schneller als Bottas – und fürchtet genau deshalb Ungemach. Sportchef Toto Wolff verriet sich schon kurz nach dem Bekanntwerden des Rosberg-Rücktritts auf der Fia-Gala in Wien, als er, auf Wehrlein angesprochen, sagte: „Pascal und Lewis wären eine explosive Mischung. Wir müssen aufpassen, dass wir dann nicht eine Situation bekommen wie 2007 bei McLaren zwischen Hamilton und Alonso.“

Zu schnell. Pascal Wehrlein hätte Mercedes-Starpilot Lewis Hamilton wohl schon bald gefährlich werden können.
Zu schnell. Pascal Wehrlein hätte Mercedes-Starpilot Lewis Hamilton wohl schon bald gefährlich werden können.

© AFP

Damals bekämpften sich Newcomer Hamilton und Platzhirsch Fernando Alonso teamintern so heftig, dass erstens am Ende Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen den Titel holte und zweitens Alonso aus Verärgerung über angeblich mangelnde Unterstützung von McLaren „Spygate“ lostrat, also jene Spionageaffäre öffentlich machte, die das Team 100 Millionen Dollar Strafe kostete.

Wolff war Anfang Dezember bereits gewarnt: Wehrlein hatte gerade in Abu Dhabi nach dem WM-Finale bei einem Reifentest eine Glanzleistung abgeliefert. Mit den Reifen für die neue Saison spulte er zwei so überzeugende Renndistanzen ab, dass auch Hamilton hellhörig wurde. Und dass der bei der Auswahl seines Teamkollegen durchaus ein Wörtchen mitzureden hat, ist ein offenes Geheimnis – auch wenn er früher gern das Gegenteil behauptete. Seinen Superstar wollte Wolff wohl nicht verärgern.

Die Teamführung hat nun erst mal ihre Ruhe

Da ist der gute, aber eben nicht überragende Bottas, der außerdem noch als einer der pflegeleichtesten Fahrer in der Formel 1 gilt, eben die bequemste Lösung. Gut genug, um Mercedes die wichtigen Punkte im Kampf um die Konstrukteurs-WM zu sichern. Aber nicht gut, aggressiv und bissig genug, um Hamilton wirklich gefährlich zu werden – was Wehrlein wohl bald viel eher könnte. Und die Teamführung hat nach drei stressigen Jahren mit den beiden Spitzenfahrern Hamilton und Rosberg erst mal ihre Ruhe.

Pascal Wehrlein hat nun vor allem international mit einem Imageproblem zu kämpfen. Weil in der Formel 1 eben fast nie mit offenen Karten gespielt wird. Schon als ihn im Herbst Force India absolut nicht wollte, hatte das nicht etwa – wie offiziell verlautbart – mit mangelnder Leistung zu tun. Sondern damit, dass er vor zwei Jahren bei einem Test loyal zu Mercedes blieb und keine Details über den Silberpfeil verriet.

Vettel fühlt als sich Wehrleins Mentor

Der Deutsche muss jetzt hoffen, dass es bei Sauber in diesem Jahr mit gesicherten Finanzen und nach einigen technischen Änderungen tatsächlich aufwärts geht und er sein Potenzial zeigen kann. Und danach? Wer weiß, wie lange die doch schon recht angeschlagene Beziehung zwischen Mercedes und Hamilton noch hält, wenn für 2018 zum Beispiel Sebastian Vettel frei wird. Vettel und Wehrlein verstehen sich persönlich bestens, der viermalige Weltmeister macht häufig den Eindruck, sich ein bisschen als Mentor des Youngsters zu fühlen. Das wäre dann doch ein neues Dreamteam bei Mercedes. Eines, das sich dann hoffentlich auch die Mercedes-Spitze zu führen traut.

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