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Formel 1

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Formel 1: Brawn GP: Fast wie im Märchen

Beim turbulenten Formel-1-Saisonauftakt holt das neue Brawn-Team einen Doppelsieg – Toyota-Pilot Timo Glock wird Vierter. Sebastian Vettel ist ganz vorne mit dabei - bis es knallt.

Es sah aus wie im Märchen, als der Sieger Jenson Button und der Zweitplatzierte Rubens Barrichello Seite an Seite im Licht der tiefen Sonne von Melbourne in die Ehrenrunde einbogen. Das Märchen vom neuen Formel-1-Rennstall Brawn GP, der am Sonntag beim Großen Preis von Australien gleich einen Doppelsieg vor dem Weltmeister Lewis Hamilton im McLaren-Mercedes feierte. „Es war unglaublich, Jenson und Rubens da oben zu sehen. Vor drei Wochen war dieses Wochenende unvorstellbar“, sagte Teamchef Ross Brawn, der den vor dem Aus stehenden Rennstall kurz vor Saisonbeginn übernommen hatte.

Allerdings ist die Wertung des fabelhaften Rennens zunächst nur vorläufig: Neben dem noch ungeklärten Streit um die umstrittenen Unterböden der Autos von Brawn, Williams und Toyota legten letztere auch noch Einspruch gegen die Wertung ein. Und zwar dagegen, dass Toyota-Pilot Jarno Trulli, eigentlich als Dritter ins Ziel gekommen, wegen des Überholens von Hamilton hinter dem Safetycar eine 25-Sekunden-Strafe bekam.

Für die deutschen Fahrer begann die Saison nur bedingt märchenhaft. Nick Heidfeld hatte mit seinem schon beim Start beschädigten BMW-Sauber keine Chance und kam nur als Zehnter ins Ziel, noch hinter Adrian Sutil im Force India, der Neunter wurde. Nico Rosberg im Williams holte als Sechster noch drei Punkte, bester Deutscher war aber Timo Glock im Toyota als Vierter, obwohl er aus der Boxengasse gestartet war. Am unglücklichsten lief es für Sebastian Vettel, der im Red Bull bis drei Runden vor Schluss an Position zwei lag und dann nach einer Kollision mit dem BMW-Piloten Robert Kubica ausschied.

Kurz danach ließ sich Teamchef Ross Brawn an der Boxenmauer feiern. Erstmals seit 1977 – damals Wolf mit Jody Scheckter in Argentinien – gewann ein neues Team gleich seinen ersten Grand Prix. Allerdings ist das „Neu“ im Brawn-Märchen nicht ganz so wörtlich zu nehmen. Denn das vermeintliche Underdog-Team, das nun dank der eigenen Genialität die Großen ärgert – diese Story verkauft sich zwar bestens, die Realität sieht aber ein bisschen anders aus. Schließlich war dieses Auto, das am Sonntag der Konkurrenz um die Ohren fuhr, bereits mehr oder weniger unter dem Namen Honda fertig, als sich der japanische Konzern Ende 2008 aus der Formel 1 zurückzog. Finanziert wurde der Wagen mit einem Jahresbudget von über 300 Millionen Euro, und dann durch einen Mercedes-Motor noch stärker als es mit dem schwachen Honda-Triebwerk. Hinzu kommt, dass Ross Brawns Art und Weise, entgegen intern zwischen allen Teams getroffenen Absprachen mit einem technisch sehr umstrittenen Diffusor am Unterboden anzutreten, bei den meisten Konkurrenzteams wenig Begeisterung hervorruft. Aber die Geschichte vom Wunder von Brawn, sie eignet sich nun mal bestens dazu, wenigstens ganz kurzfristig das Chaos zu übertünchen, das derzeit durch die politischen Machtkämpfe ausgelöst wird und sich in Protesten und Gegenprotesten, Berufungen und offenen Resultaten äußert.

Ob nun Märchen oder nicht, beinahe wäre es trotz der Überlegenheit der Brawn-Autos ohnehin gar nicht dazu gekommen. Der vermeintliche Superstratege Brawn schien kurz davor zu sein, sich fatal verrechnet zu haben. Button, vom Start weg souverän in Führung, hatte an der Spitze zeitweise sichtlich Tempo herausgenommen und war nur so schnell gefahren, wie er musste. Natürlich aus taktischen Gründen: Schließlich muss man angesichts der erst für den 14. April anberaumten Entscheidung im Diffusorstreit nicht unbedingt dauernd demonstrieren, dass man eigentlich mindestens eine halbe Sekunde pro Runde schneller fahren könnte als alle anderen. Nicht nur BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen fürchtet: „Die wahren Kräfteverhältnisse hat das Rennen in Australien nicht gezeigt.“

Kurz vor Schluss hätte sich das beinahe gerächt, denn BMW-Pilot Kubica war auf harten Reifen unterwegs, Button und der hinter ihm liegende Sebastian Vettel auf weichen, die in Melbourne nach wenigen Runden heftig abbauten. So holte der Pole bis zu zwei Sekunden pro Runde auf, auch auf Button, „der hatte ja auch Probleme mit seinen Reifen“, stellte BMW-Teamchef Mario Theissen fest. „Wir hätten noch eine echte Siegchance gehabt.“

Doch als Kubica an Vettel vorbeiwollte, wehrte der sich ein bisschen zu heftig, es krachte, und beide waren draußen. Vettel, der bis dahin ein sehr starkes Rennen gefahren war, wusste sofort, was ihm da passiert war. „Ich bin ein Idiot, sorry, sorry“, entschuldigte er sich per Funk bei seinem Team – und war auch nachher kleinlaut: „Ich wollte halt meinen Platz verteidigen, aber dann konnte ich mit den schlechten Reifen das Auto nicht mehr halten und bin in ihn reingerutscht. Nochmal würde ich das sicher nicht so machen.“

Robert Kubica tröstete diese Erkenntnis wenig. „Er war einfach zu optimistisch, es waren noch drei Runden und realistisch hatte er doch keine Chance, mich zu halten“, schimpfte er. „Wir hatten beide ein tolles Wochenende und jetzt fahren wir beide mit leeren Händen nach Hause.“ Und nicht nur das: Die Sportkommissare bestraften Vettel wegen einer „vermeidbaren Kollision“ auch noch mit einer Rückversetzung um zehn Startplätze beim nächsten Rennen in Malaysia.

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