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Formel 1: Eine Box voller Narren

Es sollte ein Neuanfang werden, doch die Formel 1 präsentiert sich zum Saisonstart wie gehabt: chaotisch.

Sparen ist das Zauberwort, das unaufhaltsam bis in den letzten Winkel des Fahrerlagers dringt. Ob Alexander Wurz, der frühere Honda-Testpilot und jetzige Berater von Brawn GP, in Zivilklamotten statt in Teamkleidung auftaucht, ob bei einer Gesprächsrunde bei BMW ein paar Stühle zu wenig da sind, irgendwo flüstert immer jemand: „Sparmaßnahme.“ Doch so gern die Formel 1 auch einen neuen Weg beschreiten möchte, keine Maßnahme kann darüber hinwegtäuschen, dass ihre Hauptdarsteller einfach nicht aus ihrer Haut können. Wo im Kleinen ein paar Cent eingespart werden, produziert der Krieg der Egos an anderer Stelle wieder Zusatzkosten unglaublichen Ausmaßes – wie jetzt im bizarren Diffusorstreit.

Der Zoff um das Aerodynamik-Element am Unterboden der Autos von Brawn, Toyota und Williams ist geradezu sinnbildlich für die Unfähigkeit der Formel-1- Alphamännchen zum produktiven Miteinander. Natürlich stand auch die Qualifikation zum ersten WM-Lauf in Australien (Sonntag, 8 Uhr/live bei RTL und Premiere) im Zeichen dieser Fehde. So ging unter, dass die Formel 1 sportlich tatsächlich spannender geworden ist und sich alle Autos in einem Abstand von nur zwei Sekunden bewegten. Auch dass Sebastian Vettel im Red Bull überraschend Dritter wurde und Weltmeister Lewis Hamilton nach einem Getriebedefekt im McLaren nur auf Platz 18 an den Start geht, war eher eine Randnotiz. Im Mittelpunkt standen die beiden Brawn-Piloten Jenson Button und Rubens Barrichello, die dem Rest der Welt mit ihrem umstrittenen Diffusor auf und davon fuhren. Das war freilich nicht der einzige Streit des Samstags: Kurz darauf wurden beide Toyotas, darunter der von Timo Glock, wegen irregulärer Heckflügel ans Ende des Feldes verbannt. Danach bewarfen sich noch Williams, Red Bull und Ferrari mit Protestnoten.

Schuldige gibt es zumindest im Diffusor-Ärgernis sicher mehrere. Anscheinend gab es angesichts der unklaren Regel schon vor einiger Zeit in der Technischen Arbeitsgruppe der Teamvereinigung Fota eine Übereinkunft, die kostspieligsten und extremsten Wege nicht zu gehen. Wie viel solche Übereinkünfte noch immer wert sind, zeigte aber ausgerechnet der Chef dieser Gruppe. Ross Brawn brach aus und überraschte alle mit einem Auto mit Doppel-Diffusor.

Auch Toyota und Williams bewegten sich in diese Grauzone, allerdings nicht so weit – mit ihren Versionen hätte die Konkurrenz wohl zähneknirschend leben können. Als Brawn GP aber vor drei Wochen in Barcelona das erste Mal an der Strecke auftauchte, schrillten alle Alarmglocken. Brawn, vor allem in Deutschland immer als das „Superhirn“ hinter den Erfolgen von Michael Schumacher gefeiert, hatte das Ganze noch mindestens eine Stufe weiter getrieben. Mit dem Ergebnis, dass sich nun die anderen Teams überrumpelt fühlen, Proteste einlegen und die Ergebnisse der beiden ersten Saisonrennen nun nur unter Vorbehalt gelten werden.

Schuld an dieser für einen Neuanfang äußerst kontraproduktiven Situation ist aber auch der Automobil-Weltverband. Die Fia hätte die Angelegenheit schon vor dem Saisonstart klären können, ja müssen. Nun ist sie aber mitverantwortlich dafür, dass nach dem zunächst abgelehnten Protest und für den 14. April angesetzter Berufungsverhandlung in Paris, eine unnötige Produktion von Kosten in Gang kommt: Sieben Teams müssen mit voller Kraft die Entwicklung eines Diffusors nach Brawns Vorbild vorantreiben – für den Fall, dass sich die Legalität bestätigt. Die anderen drei müssen eine nicht weniger günstige Abrüstung betreiben, sollte das passieren, was Experten für möglich und sinnvoll halten: Eine „Klarstellung der Regel“, die zwar die bisherigen Ergebnisse unangetastet lässt, die strittigen Diffusoren aber für die Zukunft verbietet.

Dass Fia-Präsident Max Mosley sich bisher nicht wirklich um Klarstellung bemühte, hat natürlich auch Gründe. Erstens lässt sich die Geschichte wunderschön verkaufen. Brawn als die Underdogs, die nach dem Ausstieg von Honda vor dem Aus standen und jetzt die Großen ärgern, das passt gut in seine Vorstellung einer WM der Privatteams. Und zweitens schaffen er und Formel-1-Imperator Bernie Ecclestone es so, die fragile Einigkeit der Fota, ihres politischen Gegenspielers, weiter zu untergraben. Deutlich zu sehen ist das daran, dass nach dem Qualifying plötzlich Williams gegen Aerodynamikteile bei Red Bull und Ferrari protestierte – eine Retourkutsche für die erste Protestwelle in umgekehrter Richtung. Allerdings zog man dann noch während der Verhandlung darüber den Protest zurück. Italienische Journalisten schworen Stein und Bein, eine halbe Stunde davor habe Renault-Teamchef Flavio Briatore Ecclestone angerufen und ihn aufgefordert, den Wahnsinn zu beenden. An dieser Aufgabe allerdings könnte in der Formel 1 auf Dauer sogar Ecclestone scheitern.

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