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© dpa

Formel 1: Fast so gut wie die Geburt

Sebastian Vettel fährt von Platz 17 auf Platz vier. Nach der unruhigen Woche zuvor war dies ein überragender Erfolg für den gerade mal 20-Jährigen.

Welchen Unterschied manchmal eine Woche machen kann. Am vergangenen Sonntag hatte Sebastian Vettel nach seinem Unfall mit Mark Webber im Regen von Fuji bittere Tränen geweint. In Schanghai wurde er von den Mitarbeitern des Toro-Rosso-Teams mit Champagner in der Box empfangen, obwohl er sie durch sein entfesseltes Jubelgeschrei bei der Zieldurchfahrt über den Boxenfunk beinahe in die Taubheit getrieben hätte. „Jaaaaaaaa! Platz vier! Fantastisch!“ Das Gekreische über den vierten Platz in China beschloss eine Woche, in der der gerade mal 20-Jährige Emotionen erlebte, die normalerweise für ein ganzes Rennfahrerleben reichen. „Wenn man nach so einem Tiefschlag wie letzte Woche so zurückkommt, dann ist das das größte Gefühl, das man haben kann“, sagte Vettel. „Abgesehen von meiner Geburt war das sicherlich einer der besten Tage in meinem Leben.“

Dabei habe es nach Fuji „schon ein paar Tage gedauert, bis ich alles abschütteln konnte“. Vettel hatte sich eine Menge anhören müssen, vor allem von seinem Unfallgegner Webber, der ihn als „Kind“ bezeichnet hatte. Doch das Team baute ihn wieder auf. „Es gab keinen im Team, der gesagt hat: ,Mensch, du Idiot, was hast du gemacht?‘“, sagte Vettel. „Alle haben mich aufgemuntert, aber man braucht trotzdem ein paar Tage, weil man mit sich selbst beschäftigt ist. Das heute löscht das alles aber.“

Dabei hatte auch das Rennwochenende in Schanghai unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen begonnen. Wegen des Unfalls in Fuji sollte er in der Startaufstellung um zehn Plätze zurückversetzt werden. Am Donnerstag durfte er dann erste Hoffnung schöpfen: Die Sportkommissare nahmen die Untersuchung wieder auf. Auf dem Videoportal Youtube war ein Filmchen aufgetaucht, dass den Unfallhergang nebst der Schlangenlinienfahrerei des führenden Lewis Hamilton hinter dem Safety-Car erstmals vollständig zeigte. Zwar wurde Hamilton nicht bestraft, doch Vettels Strafe tatsächlich in eine Verwarnung umgewandelt.

Nach Platz zwölf in der Qualifikation sah Vettel beste Aussichten für das Rennen – bis die nächste Strafe folgte: Der Heppenheimer verlor fünf Startplätze, weil er einen anderen Fahrer behindert haben sollte. „Ich war nicht glücklich mit der Strafe, aber ich bekam meine Revanche auf der Strecke“, erklärte Vettel.

Von Beginn an attackierte Vettel mit Wut im Bauch. „Nach dem Start bin ich außen an einigen Autos vorbeigefahren. Ich bin das Risiko eingegangen, obwohl es sehr rutschig war. Ich griff an, so gut es ging.“ Dann schien ihn ein weiteres Mal das Glück zu verlassen, denn gerade als er auf Trockenreifen gewechselt hatte, kam ein weiterer Schauer. „Da war es wirklich sehr schwierig, das vollgetankte Auto auf der Strecke zu halten. Aber zum Glück verzog sich der Regen schnell wieder.“ Tatsächlich hatte Vettel von allen 22 Fahrern als einziger die optimale Strategie erwischt: Er stoppte nur einmal und auch noch zum fast idealen Zeitpunkt und verlor das Auto in den folgenden wirklich kritischen Runden nie aus der Kontrolle.

Auch als ihm seine Box am Ende anzeigte, er solle ein wenig langsamer fahren, um ein bisschen Sprit zu sparen, musste er nicht wirklich zittern. „Wir hatten ja einen relativ soliden Abstand zu Jenson Button. Ich habe immer auf die Boxentafel geschaut und da war er über 20 Sekunden zurück.“ Zum Schluss sei er ein wenig vom Gas gegangen. „Aber das ist nicht einfach, man muss wach und konzentriert bleiben, darf nicht vergessen zu bremsen. Ich habe nur immer gebetet, dass es doch bitte nicht noch mal anfängt zu regnen.“ Vettel zählte die verbleibenden Runden hinunter, und als er die 22. Runde hinter sich hatte – jene, in der sich das Drama von Fuji ereignet hatte – „dachte ich: Jetzt ist es im Sack!“ Auch Toro-Rosso-Mitbesitzer Gerhard Berger zitterte: „Das war das längste Rennen für mich. Ich war noch nie so glücklich über einen vierten Platz.“

Später entschuldigte sich Sebastian Vettel bei den Fernsehzuschauern in Europa, „die ich durch meine Freudenschreie im Cockpit vielleicht erschreckt oder gar geweckt habe. Für die frühe Uhrzeit war das vielleicht ein bisschen laut.“ Er selbst wollte sich in der Nacht von niemandem wecken lassen: „Ich glaube, heute werde ich sehr gut schlafen.“ 

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