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Sport: Formel 1: Mercedes fährt mit Handicap

Als Mika Häkkinen auf dem Autodromo José Carlos Pace eintraf, hatte Jo Ramirez seine Arbeit längst getan. Der zweimalige Formel-1-Weltmeister aus Finnland konnte sich darauf verlassen, dass der Mexikaner Ramirez mit seiner Crew wieder Qualität geboten hatte.

Als Mika Häkkinen auf dem Autodromo José Carlos Pace eintraf, hatte Jo Ramirez seine Arbeit längst getan. Der zweimalige Formel-1-Weltmeister aus Finnland konnte sich darauf verlassen, dass der Mexikaner Ramirez mit seiner Crew wieder Qualität geboten hatte. "Ich bin das Mädchen für alles", definiert Ramirez seine Rolle bei McLaren-Mercedes. Ob Flug- oder Fährverbindungen, ob Hotelzimmer oder Mietwagen, ob Ersatzteile oder Teamkleidung - wer etwas braucht, fragt bei Ramirez an. Gemeinsam mit Mike Negline und Dore Reyan bildet er das Logistikteam, das - inklusive aller Testfahrten - etwa 160 000 Reisekilometer im Jahr zu bewältigen hat.

Die Anforderungen wachsen von Saison zu Saison. "Früher gab es zwischen den Grand Prix auch mal drei Wochen Abstand", erinnert sich Ramirez und wünscht sich, "es wäre so geblieben". Der 14-Tage-Rhythmus heutzutage beschert eben nicht nur den Fahrern viel Stress. In der Hightech-Szene Formel 1 darf nun mal nicht eine Schraube fehlen, nicht ein Teil am falschen Platz sein.

Überseerennen sind jedesmal die Krönung des Lebens aus dem Koffer. Bevor die acht Jumbo-Jets vom Typ Boeing 747 auf dem 100 km von Sao Paulo entfernt gelegenen Flughafen Campinas gelandet waren, hatten sie bereits 9500 km zurückgelegt. Das traf für McLaren-Mercedes und all jene Teams zu, die in England (Stanstead) gestartet waren. Ausgangspunkt für die Teams mit italienischen Produkten war Mailand, und jene, in denen das Französisch vorherrscht, gingen in Paris in die Luft. Nachdem in der vergangenen Saison Indianapolis in den Rennkalender aufgenommen wurde, sind es sechs Grand Prix, die auf de Luftweg eschickt werden. Dagegen finden die Transporte in Europa ausschließlich auf der Straße statt. Es klingt banal, wie Ramirez diese Aufgaben im Vergleich zu Übersee beurteilt: "Man muss nur genau darauf achten, was in den Trucks verstaut wird. Jedes Land hat seine eigenen Zuladungsrichtlinien."

Gleich ist bei Übersee- und Europa-Grand-Prix der ständige Zeitdruck. Denn was die Teams auch immer tun, sie sind den Gesetzen des internationalen Automobilverbandes (FIA) unterworfen. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone hat speziell mit Alan Wollard einen Transport-"Minister" installiert, der keine Gnade kennt. Ob zu Saisonbeginn in Australien und Malaysia, ob diesmal in Brasilien oder im Juni in Kanada, im September in den USA oder beim Großen Finale im Oktober in Japan - es ist davon auszugehen, dass er keine Kompromisse eingehen wird. FIA-Präsident Max Masley bringt in zugespitzter Form auf den Punkt, was über allem steht: "Die Formel 1 ist wie Krieg, da fragt auch keiner, was es kostet." Sollte trotz dieses immensen Aufwandes dennoch etwas nicht nach den FIA-Vorgaben laufen, dann drohen drastische Geldstrafen.

Nicht umsonst gewährt die Formel-1-Konstrukteursvereinigung erhebliche Zuschüsse. Jedes Team darf zwei Rennwagen und zehn Tonnen Fracht unentgeltlich auf die Reise schicken. Was darüber hinaus geht, bei McLaren-Mercedes sind das Extrakosten für etwa 18 Tonnen, belastet die Team-Budgets. "Je nach Länge der Reise schlägt das Mehrgewicht pro Kilo mit bis zu 25 Dollar zu Buche", rechnet Jo Ramirez vor. Wenn dann am Rennort etwas Unvorhersehbares passiert oder zum Zeitpunkt, an dem die Container bereits versiegelt sind, dann werden auch schon mal Notlösungen angewandt. "Manchmal deklarieren wir Teile sogar als Handgepäck", gibt Ramirez zu, "dann ist eben diese teure und aufwendige Methode die einzige Lösung gewesen."

Das Ein- und Ausladen der offiziellen Fracht ist längst Routine geworden. Zwei Stunden, länger braucht Wollard nicht, um mittels Computer die Einteilung der kostbaren Container festzulegen. "Wir haben immer nur vier Menschen an Bord, drei Mann von der Crew und einen Verantwortlichen von der Formel 1", beschreibt er die Geheimniskrämerei, zu der auch gehört, dass ein Mitfliegen anderer Personen als oberstes Tabu gilt. Aber wer aus der Formel-1-Szene hätte schon Interesse daran? Die Fahrer sind froh, wenn für ihren schwierigen Job am Grand-Prix-Ort alles perfekt ist.

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