zum Hauptinhalt
Vettel

© dpa

Formel 1: Sebastian Vettel: Herr des Wassers

Sebastian Vettel gewinnt in den Fluten von Schanghai und steigt endgültig in die Reihe der Formel-1-Stars auf.

Am Ende passierte Sebastian Vettel doch noch eine Panne. Bei der Siegerehrung wollte er seinen Pokal in die Höhe werfen, „dabei ist er mir abgerutscht, und ich habe mich ein bisschen geschnitten. Deswegen habe ich dann da die ganze Zeit am Daumen gelutscht.“ Doch dieses Malheur wird der Deutsche verschmerzen können angesichts der Tatsache, dass er zuvor zwei Stunden lang im Regen von Schanghai als einziger Formel-1-Pilot fehlerfrei geblieben war. Mit unglaublicher Souveränität beherrschte der 21-jährige Heppenheimer am Sonntag im Regen von Schanghai die Konkurrenz und gewann den Großen Preis von China vor seinem Red-Bull-Teamkollegen Mark Webber und WM-Spitzenreiter Jenson Button im Brawn. Wie auf Schienen pflügte er durch das Wasser, wie schon vor einem guten halben Jahr in Monza, als er im Toro Rosso ebenfalls im Regen seinen ersten Triumph feierte. Auch die riesige Freude nach dem Überfahren der Ziellinie, die in die Luft gereckten Fäuste, der Jauchzer, der überschwängliche Dank an das Team und die Begeisterung, mit dem ihn sein Team bei der Rückkehr in die Box feierte und ihn jubelnd in die Luft warf, erinnerte an Vettels erste Sternstunde in Italien. Es gab nur einen kleinen Unterschied: Diesmal hatte Vettel statt normalerweise einer gleich zwei Glücksmünzen dabei – sie steckten zwischen den Schnürsenkeln seiner Rennschuhe. „Normalerweise würde ich sie ja in die Tasche stecken, aber mein Rennoverall hat keine Taschen“, sagte er grinsend, „also musste ich einen anderen Platz dafür finden.“

So ein Spruch passt genau zu ihm. Der neue Star der Formel 1 überzeugt nicht nur durch seine fahrerischen Leistungen oder seine Nervenstärke. Sondern auch durch seine erfrischende Persönlichkeit, durch seinen jungenhaften Charme und seine Natürlichkeit, die er auch im Moment der größten Triumphe nicht ablegt. In der Qualifikation hatte es ihn nicht aus der Ruhe gebracht, dass er wegen technischer Probleme im zweiten und dritten Durchgang jeweils nur einen Versuch in letzter Minute hatte, eine schnelle Runde zu drehen. Er erledigte das in Perfektion und holte sich die Poleposition. Im Rennen war Vettel dann der Einzige im ganzen Feld, der während der zwei Stunden unter schwierigsten Bedingungen, bei schlechter Sicht und immer wieder drohendem Aquaplaning nicht den kleinsten Fehler machte. Ein Meisterstück, wie auch der letztjährige Red-Bull-Fahrer David Coulthard bewundernd feststellte: „Ich weiß ja, wie es da draußen ist, unter solchen Bedingungen. Und er hat einfach keinen Fehler gemacht. Einfach toll.“

Wegen der teilweise überschwemmten Strecke war das Rennen hinter dem Safetycar gestartet worden. Sofort nach der Freigabe nach acht Runden nutzte Vettel den Vorteil, als Einziger einigermaßen freie Sicht zu haben, und setzte sich an der Spitze ab. „Das hat es mir sicher ein bisschen leichter gemacht, denn die Bedingungen waren wirklich hart an der Grenze.“ Er fuhr seinem Teamkollegen Mark Webber davon und ließ sogar die eigentlich favorisierten Brawn-Piloten Jenson Button und Rubens Barrichello in einer Weise stehen, über die Teamchef Ross Brawn nicht begeistert war: „Aber wir hatten Probleme, die Reifen auf Temperatur zu bringen.“ Bis ins Ziel war Vettels Erfolg nie gefährdet, seine Dominanz bewies er, als er nach seinem zweiten Boxenstopp den kurz vorgefahrenen Jenson Button sogar attackierte und überholte, obwohl er wusste, dass der Engländer ebenfalls noch einmal tanken musste. Angesichts dieser Leistung ärgerte man sich bei Red Bull auch nur kurz darüber, dass beim ersten Sieg der Mannschaft des Milliardärs Dietrich Mateschitz fälschlicherweise die britische statt der österreichischen Hymne gespielt wurde.

Die restlichen deutschen Fahrer hätten solche Probleme wohl auch liebend gern gehabt. Adrian Sutil war nach starkem Rennen in seinem Force India kurz vor Schluss auf Platz sechs gelegen, ehe sein Traum nach einem heftigen Abflug wieder einmal platzte. „Die Reifen waren total abgefahren, ich bin auf einen Pfütze gekommen, Aquaplaning, ich konnte nichts mehr machen“, sagte er. „Es ist natürlich bitter, wir waren so nahe dran.“ Sein Abflug wurde auch Nick Heidfeld zum Verhängnis, der ebenfalls auf dem Weg in die Punkte war, „aber dann hat ein wegfliegendes Rad von Adrians Auto meines getroffen und beschädigt, so dass ich am Ende keine Chance mehr hatte“. Heidfeld rutschte mit dem angeschlagenen BMW auf Rang zwölf zurück. Williams-Pilot Nico Rosberg, der in einem Pokerspiel zum falschen Zeitpunkt auf Misch-Regenreifen wechselte, wurde gar nur 15. Eine starke Leistung bot Timo Glock. Nach technischen Problemen und einer Strafversetzung wegen eines Getriebewechsel war der Toyota-Fahrer nur als 19. gestartet, kämpfte sich aber auf den siebten Platz nach vorne. Mitbekommen hat er davon in der Gischt nicht besonders viel: „Bei uns war Blindflug angesagt. Sebastian Vettel wird sich vorne gefreut haben, dass hinter ihm alle nichts sehen.“

Der Einzige mit guter Sicht hatte wohl schon eine leise Vorahnung, dass es in Shanghai etwas zu feiern geben könnte. „Ich habe meinen Flug ohnehin auf morgen gebucht, zusammen mit dem ganzen Team“, sagte Vettel im Hinblick auf die anstehende Siegerparty. Wo die steigen sollte, wusste er allerdings zwei Stunden nach dem Rennen noch nicht: „Ich glaube, im Feiern sind wir gut, also lassen wir uns überraschen.“ Das Team entschied sich schließlich zu einer kleinen Party im Mannschaftshotel in Schanghai. Vettel: „Nichts allzu Wildes, weil das Team ja schon Montag früh nach Bahrain weiterfliegen muss.“ Aber vielleicht gibt es da ja am nächsten Wochenende schon den Anlass für eine ausgedehntere Feier.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false