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Formel 1: Wer wird hier der Boss?

Formel-1-Rückkehrer Ross Brawn entscheidet sich gegen Ferrari – und dem bisherigen Teamchef Jean Todt droht die Entmachtung.

Berlin - Bei der Suche nach einem Teamchef für die kommende Formel-1-Saison ist Ferrari einen großen Schritt weitergekommen. Seit gestern ist ziemlich sicher, welche beiden Kandidaten dafür nicht mehr infrage kommen: Ross Brawn und Jean Todt. Brawn, der frühere Technische Direktor der Italiener, wird nach seiner einjährigen Pause den Posten des Teamchefs beim Rivalen Honda annehmen. Und der bisherige Teamchef Todt scheint den internen Machtkampf mit Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo endgültig verloren zu haben. Anders lässt sich jedenfalls kaum interpretieren, was Ferrari als routinemäßige Strukturveränderung in der Managementebene vermeldete: Der bisherige Sportdirektor Stefano Domenicali trete die Nachfolge Todts als Leiter der Sportabteilung an, der sich künftig auf seine Arbeit als Direktor des Konzerns Ferrari und vor allem auf Straßenwagen konzentrieren soll. In Wirklichkeit war es ein weiterer Schritt auf dem Weg der schleichenden sportlichen Entmachtung des Franzosen. Es ist nun höchst unwahrscheinlich, dass Todts Name bei der endgültigen Bekanntgabe des Personals für das Formel-1-Team „gegen Jahresende“ noch auftauchen wird.

Auch Ross Brawn wird nicht auf dieser Liste zu finden sein. Das Taktikgenie der Schumacher-Ära war lange für die Stelle des Teamchefs bei Ferrari im Gespräch, heuerte aber nach seiner einjährigen Auszeit überraschend bei den Hinterherfahrern von Honda an. „Für mich ist es eine fantastische neue Aufgabe, dem Team zu helfen und das ganze Potenzial freizulegen“, sagte Brawn. Auch Toyota und Red Bull hatten sich um ihn bemüht – allerdings hatte Brawn stets Ferrari als erste Option genannt. Es kann deshalb nur gemutmaßt werden, warum die Gespräche mit dem 52 Jahre alten Briten über eine Rückkehr zu Ferrari schließlich scheiterten. Die Vermutung liegt nahe, dass ihm Ferrari-Präsident di Montezemolo ähnliche Kompetenzen wie Honda nicht einräumen wollte, wo er für alle Bereiche vom Design des Autos bis zur Rennstrategie die Verantwortung trägt.

Als Favorit auf den Posten des Teamchefs bei Ferrari gilt nach seiner Beförderung zum Leiter der Sportabteilung nun Stefano Domenicali. Die Installierung des eher unscheinbaren Italieners wäre jedenfalls di Montezemolos Ziel, wieder mehr Einfluss auf die sportlichen Aspekte bei Ferrari zu gewinnen, sicher nicht abträglich. Mittelfristig erhöht dies zudem die Chancen, seinen Lieblingspiloten Fernando Alonso zu Ferrari zu locken, den nach gescheiterten Verhandlungen eine tiefe Abneigung mit Todt verbindet.

Jean Todt dagegen steht vor seinem Abschied von dem Posten, auf dem er seit 1993 den Umbau einer chaotischen Truppe mit ausgeprägter Vorliebe für Rotweinkonsum während der Rennwochenenden zum dominierenden Team der Formel 1 leitete. Gemeinsam mit Brawn, Designer Rory Byrne und Michael Schumacher führte er Ferrari zur erfolgreichsten Ära der Teamgeschichte. Obwohl er in dieser Saison auch Schumachers Nachfolger Kimi Räikkönen zum Weltmeistertitel geleitete und sich unlängst „noch längst nicht zum Rücktritt bereit“ fühlte, wurde er zuletzt intern systematisch destabilisiert. Unter anderem wurde ihm von di Montezemolo angelastet, dafür verantwortlich zu sein, dass brisante technische Details im Zuge der Spionageaffäre zum Konkurrenten McLaren gelangten.

Christian Hönicke

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