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Sport: Frankreich - Spanien: Jospin hatte Angst - Doch Rauls verschossener Elfmeter rettet Frankreich

Häme kann so grausam sein. "Eviva España!

Häme kann so grausam sein. "Eviva España!" sangen die französischen Fans voller Inbrunst, von denen man eher ein "Allez les Bleues" erwartet hätte. Auf der gegenüberliegenden Seite des Jan-Breydel-Stadions in Brügge wischten sich viele Spanier die Tränen an ihren gelb-roten Devotionalien ab. Manolo, der Einpeitscher mit der Pauke, hatte ausgetrommelt. Längst waren die Spieler in den Katakomben verschwunden. Nur im VIP-Bereich war noch mächtig Unruhe, weil Frankreichs Premierminister Lionel Jospin seine Sicht der Dinge schilderte. Die Leiden des Lionel J. "Ich hatte Angst", gab der ehemalige Hobby-Torwart zu. Angst um die "Equipe tricolore", als eine Minute vor Schluss Spanien die Möglichkeit hatte, durch einen Elfmeter (verschuldet durch ein Foul von Torwart Barthez) zum 2:2 auszugleichen. Doch dann versagte Raul, und Jospin sowie Millionen Franzosen dürfen weiter vom Titelgewinn träumen.

Dabei, so sagte Frankreichs Trainer Roger Lemerre, war "die Guillotine für mich schon aufgebaut". Viele Dissonanzen hatte es in den letzten Tagen zwischen Lemerre, aber auch einigen Spielern und der Presse gegeben. Mal riefen die Spieler, mal die Journalisten einen Boykott des anderen aus. Doch jetzt steht Frankreich nach dem 2:1-Erfolg im Halbfinale, wo der Weltmeister am Mittwoch in Brüssel auf die Portugiesen trifft. Die Presse jubelt nun. Da wird zum Beispiel über das "Gift der Schlange Djorkaeff" philosophiert. Gemeint ist der Siegtreffer von Youri Djorkaeff, nachdem vorher der Spanier Mendieta durch einen Elfmeter die französische Führung durch Zidane ausgeglichen hatte.

Noch attraktiver, noch schöner als bei ihrem WM-Sieg vor zwei Jahren spielen Zidane, Djorkaeff, der erstmals bei der EM überzeugende Deschamps und die anderen. "Frankreich ist besser, stärker und erfahrener als 1998", sagt denn auch Zidane, die treibende Kraft. Für die Konkurrenten ist das wenig tröstlich, auch wenn sich die Portugiesen in ihrem Lauf nicht so leicht werden aufhalten lassen. Lemerre: "Wir werden uns eine Taktik einfallen lassen, sie abzublocken."

Nicht mehr viel ein fiel Spaniens Trainer Jose Antonio Camacho. "Es gibt nichts zu sagen. Wir haben es versucht, es hat nicht geklappt." Tröstlich sei, dass man gegen den Weltmeister ausgeschieden sei. Wieder einmal gibt es eine große Diskrepanz zwischen Traum und Wirklichkeit, die in Spanien schon Tradition hat. Selbst hatte man sich als einen der großen Favoriten gesehen. Camacho droht zwar nicht die Guillotine, aber vor allem seine Stürmerauswahl vor dem Turnier und seine Wechsel während der EM (in Brügge musste der starke Mendieta nach 57. Minuten raus) werden noch lange Anlass zu Kritik geben.

Mitleid hat man eher mit Raul, der den Elfmeter übers Tor schoss. "Wir danken ihm, dass er den Mut hatte, zur Exekution anzutreten", meinte Verteidiger Michel Salgado tröstend in Richtung des unglücklichen Schützen. Die Sportzeitung "Marca" fasst das für Spanien schier Unglaubliche so zusammen: "Raul schoss den Wunschtraum in die Wolken."

Sebastian Arlt

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