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Frauenfußball: Es geht noch besser

Europameister? Nicht schlecht. Doch für die DFB-Frauen zählt vor allem die WM 2011 im eigenen Land.

Drei Stunden nach dem Titelgewinn kündigte Theo Zwanziger im Club „The Tiger“ euphorisch das nächste Ziel an. „Ab jetzt richten wir den Fokus ganz auf die WM. Wir wollen den nächsten Titel“, rief der DFB-Präsident, und 22 Spielerinnen heulten begeistert auf. „Ich freue mich total auf die WM. Von mir aus könnte es schon losgehen“, sagte Simone Laudehr. Den 6:2 (2:1)-Triumph im EM-Finale von Helsinki gegen England kostete die 23-Jährige mit ihren Kolleginnen aus, doch die Begeisterung war etwas gebremst. „Vor zwei Jahren habe ich in China den WM-Pokal in der Hand gehalten. Jetzt Europameister geworden zu sein, ist gut, aber nicht so gut wie der WM-Titel“, sagte sie.

Im Team ist es Sitte, dass die jungen Spielerinnen das Material schleppen müssen. Für den EM-Pokal aus Silber und Glas wurde keine Ausnahme gemacht. Bianca Schmidt (19) trug das stattliche Ding durch die Gänge des Stadions und übergab es Babett Peter (21). Die älteren Kolleginnen hingegen schenkten dem Pokal wenig Beachtung. Birgit Prinz war bei allen fünf Europameisterschaften dabei, die die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) seit 1995 gewann. Nur auf intensives Bitten der Fotografen war die Kapitänin bereit, sich im Olympiastadion einmal allein mit der Trophäe ablichten zu lassen.

Auch ihr ist offenbar der WM-Titel wichtiger. Die Frankfurterin beendete die von ihr selbst geschürten Spekulationen, sie gedenke, beim WM-Turnier in Deutschland möglicherweise nicht mitspielen zu wollen. „Die WM 2011 ist mein Ziel, wenn ich der Mannschaft helfen kann“, sagte Prinz, die im EM-Finale zwei Tore erzielt hatte, ihre einzigen bei der Europameisterschaft.

Erst am 26. Juni 2011 im Berliner Olympiastadion werden die deutschen Frauen ihr nächstes Wettbewerbsspiel bestreiten. Bis zum Eröffnungsmatch der WM muss das Team des WM-Gastgebers Freundschaftsspiele bestreiten. Bundestrainerin Silvia Neid erkennt die Schwierigkeit, das Team ohne Wettbewerbsdruck in Topform zu halten. „Das ist nicht leicht“, sagte sie: „Andererseits haben wir als Welt- und Europameister nur Pflichtspiele, denn jeder will uns schlagen.“ Diese argumentative Hilfskonstruktion ändert nichts daran, dass der DFB zuletzt Probleme hatte, Gegner für seine Frauen zu finden.

Nach dem Testspiel bei Festtagsstimmung gegen Brasilien im April in Frankfurt folgt am 29. Oktober in Augsburg gegen Olympiasieger USA ein weiterer Höhepunkt, aber europäische Teams scheinen die überlegenen deutschen Frauen zu meiden. „Es ist echt schwierig, Gegner zu finden“, bestätigt Steffi Jones, die Präsidentin des WM-Organisationskomitees. Das DFB-Team wird im Mai 2010 nach Nordamerika reisen, um gegen die USA und eventuell gegen Kanada zu spielen.

Durch internen Konkurrenzdruck will Silvia Neid das Leistungsniveau in ihrem Kader halten oder, wenn möglich, steigern. „Ich hoffe, dass noch viele junge Spielerinnen nachkommen, die die richtige Einstellung haben und den Fußball in den Vordergrund stellen“, sagt die 45-Jährige. Dass Babett Peter, Kim Kulig und Bianca Schmidt einige zurückgetretene Weltmeisterinnen bestens ersetzten, war neben dem klaren Finalsieg ein großer Erfolg der EM. Nicht alle Talente besäßen wirklich die Bereitschaft, täglich zu trainieren, betonte Neid. Der DFB hat immerhin dafür gesorgt, dass zumindest die Nationalspielerinnen in der Amateursportart Frauen-Fußball nicht unbedingt nebenher arbeiten müssen.

12 000 Euro erhält jede Spielerin für den Titel, Kerstin Stegemann kassiert nach 191 Länderspielen zum letzten Mal eine Prämie vom DFB. Die Weltmeisterin wurde von Silvia Neid, die zuweilen eine recht rigorose Art der Teamführung an den Tag legt, kühl abserviert. Stegemann werde nach der EM aufhören, sagte die Bundestrainerin. Wenn sie ein Abschiedsspiel wolle, müsse sie es selbst organisieren. Das sei zu ihrer aktiven Zeit auch so gewesen. So hatte Neid nach der WM 2007 auch Sandra Minnert, die ihr Karriereende gar nicht geplant hatte, vor vollendete Tatsachen gestellt.

Gregor Derichs[Helsinki]

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