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Sport: Freundschaft ist Luxus

Das Confed-Cup-Finale setzt eine lange Tradition der Antipathie zwischen Argentinien und Brasilien fort

Carlos Tevez spielt seit einem Jahr für den SC Corinthians in São Paulo und darf deswegen als Experte für brasilianischen Fußball gelten. Vor ein paar Wochen ist der Argentinier gefragt worden, wie denn die Brasilianer am besten zu besiegen seien. Tevez ist ein begnadeter Fußballspieler, aber an der Erfindung der tiefen Teller war er nicht beteiligt, und entsprechend fiel seine Antwort aus: „Am besten stoppt man sie mit Tritten.“

Derartige Nettigkeiten gehören zwingend dazu bei Duellen der beiden Fußball-Großmächte, deren innige Abneigung zueinander das Verhältnis zwischen Deutschen und Holländern als geradezu liebevoll erscheinen lässt. Heute Abend stehen sie sich im Confed-Cup-Finale in Frankfurt zum zweiten Spiel binnen drei Wochen gegenüber. Das erste gewannen die Argentinier in der WM-Qualifikation 3:1, und es war eine grandiose Demonstration modernen Angriffsfußballs. Brasiliens Trainer Carlos Alberto Parreira hatte zuvor abwertend von einem „Luxus-Freundschaftsspiel“ gesprochen, weil doch beide Mannschaften so gut wie sicher für die WM 2006 qualifiziert seien. In Argentinien ist das gar nicht gut angekommen, denn Spiele gegen Brasilien sind dort gesellschaftliche Höhepunkte von zuweilen zweifelhaftem Niveau. Noch immer singen die argentinischen Fußballfans hingebungsvolle Hymnen des Hasses, etwa: „Ya todos saben que Brasil esta de luto, son todos negros, son todos putos“, was in etwa bedeutet, dass die Brasilianer ein Volk von Negern und Prostitutierten sind.

Freundschaftsspiele zwischen Argentinien und Brasilien gibt es schon mal deshalb nicht, weil Freundschaft nicht gerade ein treffender Begriff ist für das Verhältnis, das die beiden größten Länder Südamerikas zueinander pflegen. Argentinien hat sich lange Zeit als exterritorialer Bestandteil dieses Kontinents empfunden, als europäische Nation auf amerikanischem Boden. Die Bevölkerung besteht zu 90 Prozent aus Weißen vorwiegend spanischer und italienischer Herkunft, die immer ein wenig herablassend auf den Nachbarn im Norden blickten. Als Europa nach dem Zweiten Weltkrieg hungerte, zählte das mit Rindern und Weiden gesegnete Argentinien zu den wohlhabendsten Ländern der Welt, bis die verschwenderische Haushaltspolitik des Generals Juan-Domingo Perón den natürlichen Reichtum aufzehrte. Der Zusammenbruch der Wirtschaft vor zwei Jahren hat die Argentinier den Brasilianern etwas näher gebracht. Mittlerweile bemüht sich Argentiniens Staatspräsident Nestor Kirchner gemeinsam mit seinem brasilianischen Kollegen Lula Silva um eine Währungsunion, an deren Ende der Latino stehen könnte, Südamerikas Gegenstück zum Euro.

Was auf politischer Ebene möglich ist, ist im Fußball schwer vorstellbar. Zu viel steht zwischen beiden Ländern. Zum Beispiel die seltsame Art und Weise, wie die Argentinier 1978 bei der WM im eigenen ins Finale kamen. Im letzen Spiel der Zwischenrunde musste ein 4:0-Sieg gegen Peru her, um die Brasilianer noch abzufangen. Es wurde dann sogar ein 6:0, und seit ein paar Jahren weiß man, dass argentinische Lebensmittellieferungen ins arme Peru den Fußballern die hohe Niederlage erträglicher machten.

Vier Jahre später in Spanien endete Diego Maradonas erste WM mit einer Roten Karte nach einem Tritt in den Unterleib des Brasilianers Batista. 1990, bei der WM in Italien, waren die Argentinier mit einer üblen Knochenbrecher-Truppe aufmarschiert, die sich von einem Elfmeterschießen in die nächste Verlängerung rettete. Im Achtelfinale räumten sie auch die grazilen Brasilianer aus dem Weg. Zum Mythos dieses Spiel gehört eine kontaminierte Wasserflasche, die der Brasilianer Branco angeblich von der argentinischen Bank bekommen hatte. Nach zwei, drei Schlucken habe sich jedoch keineswegs die erwartete Erfrischung eingestellt, erzählte Branco. Vielmehr sei er müde geworden und später im Mannschaftsbus eingeschlafen. „Da waren K.-o.-Tropfen drin“, hat Diego Maradona vor ein paar Monaten in einem Fernsehinterview gesagt. Vielleicht stimmt das, vielleicht war das argentinische Fußballidol bei diesem Interview selbst mal wieder in einer seiner Trance-Phasen.

Die Antipathien auf dem Fußballplatz halten sich bis in die heutigen Tage. Als Brasilien im Finale der Südamerikameisterschaft 2004 in letzter Minute noch das 2:2 gegen Argentinien gelang, musste die vom Schiedsrichter alarmierte Polizei die aufeinander losgehenden Spieler zur Ruhe bringen. Und erst vor ein paar Wochen war der Argentinier Leandro Desábato bei einem Gastspiel seines Klubs Quilmes in São Paulo vom Platz weg verhaftet worden, weil er seinen Gegenspieler Grafite angeblich mit rassistischen Beleidigungen traktiert hatte. Desábato reiste mit zweitägiger Verzögerung nach Hause, kurz bevor sich sein Aufenthalt im Gefängnis zu einer Staatsaffäre ausweiten konnte.

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