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Sport: Fritz Sdunek formt die Box-Brüder fit für die Weltspitze

Kaufhaus-Boxen ist seine Sache nicht. Fritz Sdunek wirkt bisweilen hilflos zwischen den vielen Regalen und dem improvisierten Ring, der schnell zum Sparring gezimmert wurde.

Kaufhaus-Boxen ist seine Sache nicht. Fritz Sdunek wirkt bisweilen hilflos zwischen den vielen Regalen und dem improvisierten Ring, der schnell zum Sparring gezimmert wurde. An seinem Alter liegt es nicht, denn auch der 28-jährige Witali Klitschko tut sich etwas schwer an ungewohnter Stelle. Egal - Schaulaufen für Sonnabend. Dann wird der promovierte Schwergewichtsweltmeister aus der Ukraine in Berlin seinen WBO-Titel gegen den US-Amerikaner Chris Byrd verteidigen. Es ist die dritte Titelverteidigung, seit Klitschko im Sommer 1999 den Briten Herbie Hide zu Boden streckte. Ihn sekundieren wird der 52-jährige Sdunek, der schon über 40 Mal bei WM-Kämpfen in der Ringecke stand.

Seit November 1996, als Witali Klitschko und dessen Bruder Wladimir, der frühere Schwergewichtsolympiasieger, ins Profilager in den Hamburger Universum-Stall wechselten, formt Sdunek die beiden Ukrainischen Zwei-Meter-Riesen. Witali, der Weltmeister nach Version der WBO, wird demnächst auf Mike Tyson treffen. Wladimir, der im Kampf um die Europameisterschaft Axel Schulz demontierte und als talentierter gilt, wird in diesem Jahr, eventuell am 15. Juli, auf den Dreifach-Champion Lennex Lewis treffen. Lewis vereint auf sich drei Titel der vier großen Weltverbände (WBC, IBF, WBA, WBO).

Es ist nicht Sduneks Art, viel über "ungelegte Eier" zu reden. Natürlich seien die Klitschkos schwer im Kommen, "aber ich arbeitete mit ihnen wie bisher." Nur ungern lässt der Coach Ablenkungen wie die gestrige zu. Der einstige DDR-Studentenmeister im Mittelgewicht wechselte 1994 ins Lager der Profis. Seine Bilanz ist atemberaubend. Unter ihm sind Witali Klitschko (Schwer), Juan Carlos Gomez (Cruiser), Artur Grigorian (Welter), Michael Löwe (Leicht), Ahmed Kotiev (Welter) und Ralf Rocchigiani (Cruiser) Weltmeister geworden. Den halbschweren Dariusz Michalczewski führte er zu 16 erfolgreichen Titel-Verteidigungen erfolgreich.

Sdunek fand auf kuriose Weise zum Faustkampf. Der gebürtige Mecklenburger stand zunächst im Tor einer Greifswalder Fußballmannschaft. Eine Prügelei bescherte ihm eine Einladung zum Boxtraining. Später wurde aus ihm ein Ingenieur für Landmaschinentechnik der Trainer der weltweit erfolgreichsten Boxstaffel, die des SC Traktor Schwerin (30 Einzelmeister, neun Mannschafttitel). Seine Boxer gewannen 18 Medaillen bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen. Anfang 1994 wechselte er schließlich in den Universum-Stall des Hamburger Promoters Klaus-Peter Kohl.

"Wir haben gesehen, dass Erfolg machbar ist", sagt Peter Hanraths, der Geschäftsführer von Universum. Sdunek machte und macht Erfolg. Mittlerweile stehen 50 Boxer unter Vertrag. Auch deswegen holte sich Sdunek zwei ehemalige Schweriner Boxer an seine Seite: den ehemaligen WM-Dritten Torsten Schmitz und Europameister Michael Timm. "Einen Vertrag mit Fritz hatten wir noch nie. Wir brauchten den auch nicht", sagt Hanraths. Dieser Mann ist sowieso unbezahlbar geworden.

Sdunek ist ein Befürworter der Offensive im Ring. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Manfred Wolke beispielsweise, der Henry Maske zum Weltmeister formte, aber weitgehend etwas von kontrollierter Defensive predigte. "Der Fritz", sagt Universum-Boss Klaus-Peter Kohl, "ist der bessere Psychologe und er trainiert variabler." Während Wolke wert auf militärische Disziplin lege und eher auf Distanz zu seinen Boxern geht, ist Sdunek eine Art Vaterfigur, der immer auch Freiräume zulässt. "Manfred ist autoritärer als ich", sagt Sdunek, "im Gegensatz zu ihm lasse ich meinen Jungs ihre Individualität, ich fördere ihre Unterschiedlichkeit, ihre persönlichen Stärken."

Und wenn es manchmal auf Russisch sein muss. "Manchmal flucht er sogar auf Russisch", sagt Witali Klitschko. Sdunek kontert verbal: "Das ist eine Angewohnheit von mir, die Witali und Wladimir gar nicht schätzen, denn sie wollen, dass man Deutsch mit ihnen spricht." Aber darauf kommt es in einem Kaufhaus nun wirklich nicht an.

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