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Sport: Für immer ausgewechselt

Warum der Argentinier Rodolfo Esteban Cardoso beim Hamburger SV als Spielmacher keine Chance mehr hat

Hamburg (Tsp). Nach dem Tor von Marcel Maltritz ging es los mit den Auswechslungen. Klar, das Spiel gegen den SC Freiburg war beim Stande von 3:1 so gut wie entschieden. Da konnte Klaus Toppmöller, der Trainer des Hamburger SV, auch mal die Profis zur Bewährung aufs Feld schicken, die nicht immer dabei sind. Erst kam Collin Benjamin, dann Lars Christian Jacobsen und zuletzt Christian Rahn. Das Auswechselkontigent war damit erschöpft. Der Mann mit der Trikotnummer 27, der sich mit den anderen Reservisten am Rande des Spielfelds im strömenden Regen warm gelaufen hatte, konnte die Trainingsjacke wieder anziehen. Rodolfo Esteban Cardoso hatte erneut keine Chance, ins Spiel einzugreifen. Gesenkten Hauptes trottete der 35jährige Mittelfeldspieler nach dem Abpfiff in die Kabine. „Ich bin enttäuscht, natürlich“, sagte Cardoso. Und Rat suchend fragte er in die Runde: „Aber was soll ich machen?“

Trainer Klaus Toppmöller hat sich festgelegt, beim HSV eine Mannschaft mit Zukunft zu formen. Und Cardoso – das ist die Vergangenheit des HSV. Eine für den Verein durchaus angenehme Vergangenheit. Noch in der vorigen Saison taugte Cardoso zum Helden. Die Hamburger drohten nach dem ersten Saisondrittel 2002 tief im Keller der Bundesliga-Tabelle Wurzeln zu schlagen, als sich Cardoso nach mehrmonatiger Verletzungspause auf dem Rasen zurückmeldete. Das Hamburger Publikum jubelte ihm zu, Cardoso verlieh auf Anhieb dem zuvor plumpen, biederen Gekicke der HSV-Elf wieder etwas mehr Glanz. Am Ende der Saison war der HSV Vierter und im Uefa-Cup dabei. Nicht zuletzt dank Cardosos Regie.

Doch bei seinen Einsätzen in der Vorbereitung auf die neue Saison zeigte sich bereits: Cardoso konnte bei hohem Spieltempo nicht mehr so recht mithalten, konditionell machten sich bei ihm Defizite bemerkbar, allzu viele Zweikämpfe wollte er kunstvoll angehen und verzettelte sich prompt, unnötige Ballverluste waren die Folge. Schon sein damaliger Trainer Kurt Jara erkannte diese Schwächen, brachte Cardoso immer seltener. Aber erst Jaras Nachfolger Toppmöller sprach deutlich aus, was alle in Hamburg längst wussten. „Ohne ihm zu nahe treten zu wollen: Cardoso hat seinen Zenit überschritten“, sagt der neue HSV-Trainer.

Rodolfo Esteban Cardoso hat beim HSV ohnehin nur noch einen Vertrag bis zum Juni 2004. Den hatte er sich mühsam erarbeitet. Erst durch seine überzeugenden Auftritte in der vorigen Saison erreichte er bei den HSV-Verantwortlichen einen Sinneswandel. Dort war wegen Cardosos Verletzungsanfälligkeit längst über personelle Alternativen für den Argentinier nachgedacht worden. Am Ende einigte man sich mit Cardoso auf eine Vertragsverlängerung um ein Jahr. Ein Abschluss, der keiner Seite richtig weh tut. Auch Cardoso nicht, steckt doch auch für ihn das Ende seiner Leidenszeit als Ersatzmann nunmehr in einem überschaubaren Zeitrahmen.

Ein erstes Zeichen, dass Cardosos Regieführung im Mittelfeld überholungsbedürftig war, setzten die HSV-Verantwortlichen schon im Frühjahr mit der Verpflichtung von Stefan Beinlich von Hertha BSC. Nicht zu Unrecht brach danach in Hamburgs Tageszeitungen eine Diskussion los, ob denn Cardoso und Beinlich überhaupt zusammen ins HSV-Mittelfeld passen. Als dann zu Anfang der laufenden Saison auch noch David Jarolim vom 1. FC Nürnberg geholt wurde, war klar, dass Cardoso weitgehend ausgedient hatte. Toppmöller behauptet zwar, er lasse keinen Spieler fallen, jeder bekomme seine Chance, aber er als Trainer soll in erster Linie für Erfolge sorgen, für Denkmalpflege bleibt da kein Platz.

Nun genießt Rodolfo Esteban Cardoso beim Hamburger Publikum jedoch nach wie vor ein hohes Maß an Akzeptanz und Beliebtheit. Nicht zuletzt deshalb hat sich der HSV seine Dienste über das Vertragsende hinaus gesichert. Cardoso soll in Zukunft in Südamerika Talente für den HSV ausspähen, zudem soll er sich in der Jugendarbeit des Vereins nützlich machen. Und auch Klaus Toppmöller mag diesen Spieler nun nicht mit Schimpf und Schande vom Hof jagen. Der Trainer schwärmt: „Er war ein guter Spieler, ein echtes Highlight in der Bundesliga. Er hat die Fans mit seiner Technik verzückt.“ Aber: Es war einmal …

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