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Er macht die Bayern größer. Thiago Alcantara drehte das Spiel in Wolfsburg. Foto: Imago

© imago/Annegret Hilse

Fußball-Bundesliga: FC Bayern: Mit einem Fingerschnipsen

Der FC Bayern München demonstriert beim 6:1 in Wolfsburg die unendlichen Möglichkeiten im Kader. "Als Trainer sitzt du auf der Bank und denkst dir nur: Was machst du denn jetzt bloß?“, sagt VfL-Coach Dieter Hecking - und spricht der Konkurrenz damit aus der Seele.

Später am Nachmittag hat Thomas Müller gemacht, was er am liebsten tut, wenn er nicht gerade Fußball spielt. Thomas Müller hat geredet. Über den schönen Nachmittag beim 6:1 in Wolfsburg („So macht Fußball Spaß!“), das ihm ab- und Xherdan Shaqiri zuerkannte Tor („Der Schiedsrichter hat’s mir erzählt, da hatte ich natürlich ganz großartige Laune“) und über die armen Kollegen auf der anderen Seite, sie taten sogar dem Münchner Nationalspieler ein bisschen leid, „denn es war ja nicht so, dass wir die auseinander genommen haben. Wolfsburg hat uns eine Stunde lang über den Platz gejagt, mit ekligem Pressing, aber so etwas hält keine Mannschaft 90 Minuten lang gegen uns durch, keine!“

Das hat die Konkurrenz nicht gerade erfreut, denn langsam gehen ihr die Ideen aus, wie diesem FC Bayern München noch beizukommen sein könnte. Die meisten praktizieren das traditionelle Hintenreinstellen mit dem traditionellen Misserfolg, weil die Bayern mit ihrer individuellen Klasse auch im dicksten Abwehrbeton irgendwann irgendwo eine Lücke finden. In einer verfeinerten Variante wollte Schalke es vor einer Woche mit einem neuen Torhüter versuchen, was daran scheiterte, dass der für diesen Job vorgesehene Mannschaftsbus nicht mehr rechtzeitig lizenziert werden konnte. Die Wolfsburger nun wagten im Umkehrschluss das offene Duell mit abenteuerlich hoch stehender Verteidigung und frühem Pressing. Was sie sich laut Thomas Müller gleich hätten sparen können.

Dieter Hecking hat daraufhin in aller Höflichkeit angemerkt, dass er da etwas anderer Meinung sei. Wenn denn seine Mannschaft die frühe 1:0-Führung ein wenig länger gehalten oder zumindest die Gegentore Nummer zwei und drei nicht zu einem so unglücklichen Zeitpunkt kassiert hätte, „dann wären unsere Spieler schon noch ein bisschen länger gelaufen“, sagte der Wolfsburger Trainer. „So aber war der Stecker gezogen, und als Trainer sitzt du auf der Bank und denkst dir nur: Was machst du denn jetzt bloß?“

So ähnlich ist das auch dem Kollegen Pep Guardiola ergangen, gut eine Stunde lang, in der die Wolfsburger seinen Bayern das Leben mit unbotmäßiger Frechheit schwer machten. Aber anders als Hecking hat Guardiola nicht vergeblich nach einer Lösung suchen müssen, sie saß nämlich neben ihm, in Gestalt von Thiago Alcantara und Mario Mandzukic. Guardiola sprach einen entwaffnend ehrlichen Satz, mit dem er das Dilemma der Konkurrenz auf einen Punkt brachte: „Matthias, Kalle und Uli haben super eingekauft.“

Da ist was dran. Die Wolfsburger können mit dem Geld ihres angeschlossenen Autowerks noch so viel Talent an den Mittellandkanal holen, es wird noch ein Weilchen dauern, bis sie eine Mannschaft zusammen haben, für die Matthias, Kalle und Uli stehen, die Bayern-Granden Sammer, Rummenigge und Hoeneß.

Wie kein anderer Klub in Deutschland, ja vielleicht auf der ganzen Welt, ist der FC Bayern in der Lage, von einer Minute auf die andere von einem System ins nächste zu wechseln und dieses mit Interpreten auf höchstem Niveau zu füllen. Wie großartig und tief dieser Münchner Kader besetzt ist, zeigt ein Blick auf die Profis, die am Samstag nicht in der Startaufstellung standen. Mario Götze war gar nicht erst im Kader, sein Nationalmannschaftskollege Bastian Schweinsteiger saß auf der Bank. Mandzukic, nach seinen beiden späten Toren in Wolfsburg die Nummer eins der Bundesliga-Torschützenliste, musste ebenso eine Stunde zuschauen wie Thiago. Dann schnippste Señor Guardiola mit den Fingern, schickte Thiago und Mandzukic auf den Platz, und auf einmal war das Spiel ein ganz anderes.

„Thiago oder nix!“ So hatte Guardiola im Sommer geantwortet auf die Frage von Matthias, Kalle und Uli, wen sie ihm noch alles dazukaufen sollten für seine neue Mannschaft. Beim FC Barcelona, Guardiolas nicht mehr ganz so herzlich verbundenem Herzensklub, haben sie sich darüber lustig gemacht, dass sie einen Ersatzspieler für geschätzt 30 Millionen Geld abschieben durften. In Barcelona lacht längst keiner mehr (und das liegt nicht nur an der dort prekären sportlichen Situation). In der spanischen Nationalmannschaft zeigte Thiago am Mittwoch beim 1:0 über Italien, warum er dort als Nachfolger des alternden Xavi gehandelt wird. Und in Wolfsburg genügte ihm ein einziger Pass zur Wendung des Spiels. Kurze Drehung am Mittelkreis, Kopf hoch und den Ball durch alle Schichten der Wolfsburger Abwehr in die Tiefe gezirkelt, den Rest erledigte Thomas Müller.

Ja, vielleicht wären die Wolfsburger noch ein bisschen weitergelaufen, wenn dieses Tor nicht gefallen wäre. Aber dann hätte Pep Guardiola sich etwas anderes ausgedacht. Bastian Schweinsteiger etwa blieb 90 Minuten lang auf der Bank.

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