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Sport: Fußball in den USA: Der Dauerpatient

Als Johan Cruyff im Oktober das Finale der Major League Soccer (MLS) in Washington verfolgte, wurden beim Ehrengast Erinnerungen an seine Zeit im Fußball-Entwicklungsland wach. Der holländische Fußballstar spielte vor 20 Jahren in der damaligen North American Soccer League (NASL) für die Los Angeles Aztecs und die Washington Diplomats.

Als Johan Cruyff im Oktober das Finale der Major League Soccer (MLS) in Washington verfolgte, wurden beim Ehrengast Erinnerungen an seine Zeit im Fußball-Entwicklungsland wach. Der holländische Fußballstar spielte vor 20 Jahren in der damaligen North American Soccer League (NASL) für die Los Angeles Aztecs und die Washington Diplomats. Damals glaubte er noch fest an eine goldene Zukunft für Soccer made in USA. Wenig später war die Profiliga bankrott und der Traum zerstört.

Und jetzt? Mit viel Optimismus starteten die US-Amerikaner 1996 nach der erfolgreichen WM im eigenen Land mit der MLS einen zweiten Versuch. Nach einer guten Premierensaison hängt der Patient Fußball im fünften Jahr bereits wieder am Tropf. Der Überlebenskampf hat begonnen, die Zukunft ist ungewiss. "In kleinen Schritten muss man den Amerikanern beibringen, dass dies der beste Sport der Welt ist", meint Cruyff, "ansonsten wäre Fußball schließlich nicht so populär. Aber die Leute sind hier nun einmal wie sie sind." Schwer erziehbare Sportfans, denen einzig ihre traditionellen Sportarten am Herzen liegen, dürfte Cruyff mit dieser Aussage wohl meinen.

Es war gewiss ein Erfolg, dass neben dem Holländer 39 159 Zuschauer zum Endspiel zwischen den Kansas City Wizards und Chicago Fire kamen. Die Wizards gewannen 1:0, doch der Triumph war nur eine Fußnote an einem Sonntag, an dem sich alles um American Football drehte. Die NFL (National Football League) gibt nun einmal in den USA den Ton an, dicht gefolgt von der MLB (Major League Baseball), NBA (National Basketball Association) und NHL (National Hockey League). Diese "Big Four" sind die populärsten Profiligen. Das Ziel der Soccer-Enthusiasten war es, zu diesem Quartett aufzuschließen. Die Realität sieht anders aus: zurückgehende Zuschauerzahlen und Profite für die zentral gelenkte Liga sind nicht in Sicht. "Ich bin enttäuscht", gestand MLS-Commissioner Don Garber, "wir müssen noch größere Anstrengungen unternehmen, um die Millionen Fußball-Liebhaber in unserem Land endlich für uns zu gewinnen."

Garbers Frust ist zu gut zu verstehen. Der neue Liga-Boss war schließlich vor einem Jahr mit viel Vorschusslorbeeren bedacht worden, als man ihn von der NFL International abwarb. Und seine ersten Änderungen stießen sofort auf breite Zustimmung. Garber schaffte die amerikanischen Soccer-Gimmicks wie das Shootout ab und passte das Spiel den Regeln an, die auch für den Rest der Welt gelten. Es gab erstmals die Möglichkeit eines Unentschiedens und der Schiedsrichter war oberster Zeitnehmer. Mit der Verpflichtung von alternden Superstars wie Lothar Matthäus und Hristo Stoitchkow wollte man das Image der Liga aufpolieren und mehr Fans anlocken. Eine Fehlkalkulation. Der Zuschauerschnitt sank von 14 282 auf 13 756 und die Kabelkanäle ESPN und ESPN 2 verloren ebenfalls bei ihren TV-Übertragungen an Boden. Aufgrund der mageren Quoten entschied der TV-Riese ABC sogar, sein landesweit gesendetes Soccer-Paket von sechs Spielen in der nächsten Saison auf zwei Partien zu reduzieren. Seit der Geburtsstunde 1996 hat die Liga über 100 Millionen Dollar Verlust gemacht.

Doch der Optimismus ist bei den Machern erstaunlicherweise ungebrochen - noch. Einer der größten Soccer-Prediger ist dabei Lamar Hunt. Dem Milliardär gehören mit den Kansas City Wizards und der Columbus Crew zwei Franchises und er glaubt fest daran, dass Fußball in den USA eines Tages aufblühen wird. "Wir sehen jetzt erst die Spitze, der Sport hat eine große Zukunft vor sich", meint der Soccer-Verrückte, "wir müssen mehr Saisonkarten verkaufen und Rivalitäten aufbauen. In fünf Jahren machen wir Gewinn." Hunts großer Coup war es, in Columbus (Ohio) ein reines Soccer-Stadion mit 23 000 Plätzen zu errichten, dessen Kosten von 28 Millionen Dollar aus eigener Tasche finanziert wurden. "Unser Sport leidet darunter, nicht genug Plätze wie das Crew-Stadion zu haben, wo die Leute stolz darauf sein können, ein Soccer-Fan zu sein", sagt Garber. Der Liga-Chef hofft auf neue Arenen in Los Angeles, New York und Chicago.

Doch dies sind nicht die einzigen großen Pläne. 2002 will man die Liga von zwölf auf 14 Teams aufstocken, 2004 sollen 16 Mannschaften die Meisterschaft ausspielen. "Wenn die Verantwortlichen die richtigen Schritte machen, werden die USA in zehn bis 15 Jahren eine wichtige Rolle im Weltfußball spielen", betonte Lothar Matthäus, der in der abgelaufenen Saison für die New York/New Jersey MetroStars kickte. Die Frage ist nur, wann bei Sponsoren, Investoren und TV-Sendern bei weiteren Verlusten der Geduldsfaden reißt. Das amerikanische Soccer-Laboratorium muss dringend eine Wachstumsformel entwickeln - sonst droht der MLS das gleiche Schicksal wie dem Vorgänger. Der ist bekanntlich von der Bildfläche verschwunden - trotz so bekannter Fußballer wie Cruyff, Beckenbauer und Pele.

Stefan Liwocha

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