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Deutschland - Südafrika

© dpa

Begeisterndes Debüt: Fußballerischer Freidenker

Mit klugen Pässen aus dem Fußgelenk und viel Spielfreude begeistert der 20-jährige Mesut Özil gegen Südafrika im DFB-Team.

Auch nach dem Spiel war Mesut Özil flinker als alle anderen. Der 20-Jährige hatte sich schnell geduscht und hatte noch immer diese listigen Augen, die auf dem Rasen so viel mehr sehen, dass davon ein ganzes Team mitgerissen werden kann. In seinem offiziellen „Welcome-to-Germany“-Shirt sah er ein bisschen so aus, als sei der in Gelsenkirchen geborene Sohn türkischer Gastarbeiter an diesem Abend so richtig angekommen in Deutschland. Es war der Abend von Leverkusen, als der WM-Gastgeber Südafrika mit 2:0 geschlagen und Mesut Özil der deutschen Nation etwas geschenkt hatte, wonach sie lange sehnte – einen Spielmacher. Einen Fußballer also für die besonderen Momente.

Erstmals hatte Jochim Löw den jungen Mann vom SV Werder in seine Anfangself berufen und zu diesem Zwecke sogar die taktische Grundformation getunt. Özil durfte die zentrale, offensive Position einnehmen, ausgestattet mit den Freiheiten eines fußballerischen Freidenkers. „Mesut Özil hat heute viel Kreativität reingebracht und viele gefährliche Situationen produziert“, sagte der Bundestrainer, was sich für den Geschmack vieler untertrieben anhörte. Tatsächlich wirkte das Dazutun Özils wie die Reanimation eines Teams, das in den vergangenen Monaten statischer wie berechenbarer geworden war und nun nicht nur vor dem völligen Erstarren bewahrt, sondern mit frischen Ideen und neuer Spielfreude wiederbelebt wurde.

Der kleine Bremer nutzte seine Freiheiten in der Offensive gelegentlich glänzend. Er spielte kluge Doppel- und raffinierte Steilpässe. Und auch sonst kreierte er die eine oder andere gehaltvolle Überraschung auf dem Rasen. So fädelte Özil etwa die Führung durch Mario Gomez ein. Der Stürmer des FC Bayern war hinterher begeistert: „Er hat immer den Blick nach vorne, kann den Ball gut halten, trickst gut und er spielt fantastische Pässe. Und dann macht er auch noch Tore. Ich glaube, wir können froh sein, so einen geilen Kicker zu haben.“

Mesut Özils Treffer zum 2:0 in der Schlussviertelstunde war stilistisch selten schön. Vorausgegangen war ein feiner Pass von Miroslav Klose. Dieser Pass sei so toll gewesen, sagte Özil hinterher bescheiden, dass er ihn „nur noch reinschieben musste“. Natürlich war das eine Untertreibung. Es gibt zahllose Fußballer, die in vergleichbarer Situationen ins Trudeln geraten sind. Özil aber hatte gedanklich sofort die logischste aller Lösungen für den Abschluss parat und dazu das nötige Geschick in den Füßen.

Özils Stil zeichnet eine natürliche Selbstverständlichkeit aus. Seine Pässe aus dem Fußgelenk sehen einfach aus, wie Löw befand, „sie sind es aber nicht“. Der junge Mann, der erst im Sommer mit der deutschen U 21 den Europameistertitel gewann, ist schon deswegen eine Bereicherung der Nationalelf, weil er Ansätze zeigt, ein Fach ausfüllen zu können, das als das „Hohe C“ des Fußballs gilt: Es ist das Fach des Spielmachers, des klassischen Zehners. „Man kann hoffen, dass Deutschland mal wieder eine typische Nummer zehn mit all ihren Facetten bekommt“, hatte Michael Ballack wenige Tage vor dem Spiel gesagt. Nach dem Spiel sagte der Kapitän: „Er war beweglich und ist gut drauf. Er spielt unbekümmert. Das hat der Mannschaft ganz gut getan. Er war immer anspielbereit.“

Und das ist nun eine Qualität, die nicht jeder im deutschen Team hat. Sie setzt Fähigkeiten voraus, wie sie selten im deutschen Fußball zu finden sind. Özil ist trotz seiner Schmächtigkeit mit einer gewissen Robustheit gesegnet, er verfügt über hohe Ballsicherheit, geschicktes Zweikampfverhalten und hat Gespür und Auge für die Situation, die es ihm ermöglichen, seine Mitspieler gut einzusetzen. Vor allem aber kann er das Spiel durch seine Art der Mitnahme der Mitspieler schneller machen. „Ich bin immer froh, wenn ich spiele. Ich will der Mannschaft helfen. Ich denke, das ist mir ganz gut gelungen“, sagte Özil.

Später wirkte Özil schüchtern und gab banale Sätze von sich, die wie auswendig gelernt anmuteten. „Ich habe keinen Druck verspürt, denn Mannschaft und Trainer standen hinter mir. Vor allem Michael Ballack hat mich von hinten gut gecoacht.“ Vermutlich werden sie ihm in Bremen und beim Deutschen Fußball-Bund schon gesagt haben, wie weit der Weg mitunter sein kann, die Hoffnungen und Sehnsüchte, die sein Spiel weckt, aushalten und erfüllen zu können. Noch „hat er keinen Druck“, sagte Ballack im Keller der Arena. „Er genießt es einfach, Fußball zu spielen.“ Er hoffe, dass Özil das lange beibehalte und stabil bleibe. „Aber man sollte vorsichtig mit solchen Jungs umgehen. Wir kennen das aus der Vergangenheit, dass das auch mal in die falsche Richtung losgehen kann.“ Mesut Özil hat es nicht gehört. Noch nicht.

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