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© dpa

Danny Jordaan, WM-Organisationschef: "Südafrika hat eine gespaltene Persönlichkeit"

Der Organisationschef der Fußball-WM 2010 Danny Jordaan über das Image seines Landes, teure Tickets in der Krise und feiernde Deutsche

Johannesburg, das Hauptquartier des Südafrikanischen Fußballverbands Safa. Im Konferenzraum gibt es Rooibostee. Ein Mitarbeiter rückt die Lederstühle am Kopfende des Tisches zurecht, bevor Danny Jordaan, sein Sprecher und weitere Männer ins Zimmer rauschen. Jordaan legt Handy und Blackberry neben sich auf den Tisch, räuspert sich und bittet darum, ein paar Worte zur Begrüßung sagen zu dürfen. Aus den paar Worten wird ein fünfzehnminütiger Vortrag über „Nationbuilding“ und „Nationbranding“. Jordaan erwähnt seinen Berlin-Besuch Anfang der 90er Jahre. „Es ist einfach, eine Mauer einzureißen, aber schwierig, die Menschen zusammenzubringen“, sagt er. Erst 2006 während der WM hätten die Deutschen wieder gewusst, wer sie seien. „Niemand dachte mehr daran, ob er Ost- oder Westdeutscher ist. Alle waren einfach Deutsche.“ Dann irgendwann beginnt das Gespräch.

Herr Jordaan, Sie erhoffen sich, dass die WM das Image Südafrikas verbessert …


… wenn ich vor 1990 gefragt wurde, wo ich herkomme, und ich sagte: Südafrika, dann sagten alle: Oh nein, Apartheid. Kurze Zeit später: Oh toll, Nelson Mandela. Und dann wieder: Oh weh, Kriminalität. Dieses Land hat eine gespaltene Persönlichkeit. Wir können uns leider nicht auf Mandela als Marke verlassen – Menschen sterben irgendwann. Wir brauchen die WM, damit die Welt auf uns schaut.

Und was glauben Sie, wie man Ende nächsten Jahres reagieren wird, wenn Sie sich irgendwo vorstellen?


Oh toll, Südafrika, das Land mit der besten Infrastruktur Afrikas! Das Land, in das Millionen Touristen strömen! Das Land, in das Ausländer gerne investieren!

Sie sprechen immer von der WM Afrikas. Wie wollen Sie es schaffen, dass auch Ihre Nachbarländer von der WM profitieren?


Das Regelwerk will, dass die Mannschaften in Südafrika untergebracht werden. Aber das gilt natürlich nicht für die Fans: Die können auch nach Botswana, Mozambique, Lesotho und Swasiland – und Mauritius. Die Fans werden eine großartige Zeit haben. Stellen Sie sich mal vor: Es wird Direktflüge dorthin geben, dann ist Sommer in Mauritius, die Strände sind weiß, das Wasser warm …

… aber Herr Jordaan, das Image von Mauritius muss nicht verbessert werden.

Sie können ein Deutschlandspiel anschauen und werden wieder zurück nach Mauritius geflogen. Ist das etwa nichts?

Was ist, wenn sich selbst die Reichen solche Luxusreisen in Zeiten der Krise nicht mehr leisten?


Wir beobachten die Krise, aber die aktuellen Ticketverkäufe bieten keinen Anlass zur Sorge. In der ersten Phase haben wir 743 000 Tickets verkauft, es gab 1,8 Millionen Anfragen. Das Champions-League-Finale in Rom war auch ausverkauft, trotz Krise in Europa – wenn das Kind eine neue Schuluniform braucht, muss es eben warten, wenn Papa zum Fußball will.

In Südafrika haben viele Menschen keinen Internetanschluss. Wie wollen Sie gewährleisten, dass alle Fans gleichen Zugang zu Tickets haben?

Zuerst haben wir Papierformulare in den Banken ausgelegt. Dann hieß es: Das Formular ist zu kompliziert. Jetzt haben wir richtige Schalter mit Menschen dahinter. Mehr können wir nicht tun.

Für den Confed-Cup, der vom 14. bis 28. Juni stattfindet und als Generalprobe gilt, gibt es noch reichlich Tickets.


Die Spiele der beliebteren Mannschaften sind ausverkauft – wie Italien gegen Brasilien. Insgesamt sind 60 Prozent der Tickets weg.

Jordaan sitzt fast unbeweglich auf seinem Stuhl. Um seine Worte zu unterstreichen, wählt er die minimalistische Gestik eines Würdenträgers. Seine Entourage empfängt laufend Mitteilungen auf diversen Handys. Jordaans Sprecher tippt ununterbrochen Kurzmitteilungen. Das Gespräch dreht sich jetzt um die Sponsoren der WM. Es fällt der Satz: „Wenn du in deinem Land eine WM veranstalten willst, musst du verstehen, dass die WM der Fifa gehört.“

Haben Sie Verständnis für die Zweifler, die denken, dass Südafrika es nicht schaffen wird?


Sie werden doch fürs Zweifeln bezahlt! Sie dürfen nicht vergessen, dass Südafrika ein Entwicklungsland ist, wie Mexiko 1986. Hier ist die Kluft zwischen dem, was vorhanden ist, und dem, was wir infrastrukturell leisten müssen, enorm.

Liegen Sie überhaupt in der Zeit? Das Stadion nebenan, Soccer City, dürfen wir leider nicht besichtigen.

Wir sind dem Zeitplan voraus. Soccer City sollte erst im Oktober fertig werden, jetzt wird es schon im August soweit sein. In Port Elizabeth sind wir fertig, in Durban, Nelspruit und Polokwane im Oktober, in Kapstadt im Dezember. Dort wurden die Bauarbeiten von den Umweltschützern behindert, die sich beschwert hatten, dass wir Bäume fällen mussten und die Vögel und Bienen erschreckt haben. Gegen uns wurde geklagt, so was dauert eben. Bedenken Sie, was die Leute vor der WM in Deutschland moniert haben.

Was denn?

Die Welt dachte: Das Stadion in Gelsenkirchen vibriert, und die Deutschen sind langweilig, also werden sie zwar ein perfektes, aber sterbenslangweiliges Turnier veranstalten. Doch dann kamen die Fans zurück und wunderten sich: Diese Deutschen haben uns warmherzig aufgenommen, und sie können sogar feiern.

Als die deutschen Berater nach Südafrika kamen, waren Sie anfangs nicht besonders begeistert.


Wir arbeiten inzwischen gut mit den Deutschen zusammen. Aber keiner kann erzählen, dass die WM gerade erst erfunden wurde. Es gibt schließlich niemanden auf der ganzen Welt, der sich länger damit beschäftigt. Insgesamt habe ich zehn Jahre damit verbracht, um das Turnier zu kämpfen, von 1994 bis 2004.

Und was war der beste Tipp, den Ihnen Franz Beckenbauer gegeben hat?

Mit ihm habe ich lange zusammengearbeitet, ja. 2006 hat er zwar gegen mich gewonnen, aber okay. Ich habe ihn in seinem Haus in Österreich besucht. Uns verbindet ein freundschaftliches Verhältnis.

Jordaans Sprecher blickt für einen Moment von seinem Handy auf: „Danny, erzähl’ die Geschichte mit Robben Island!“

Franz hat mich hier besucht und wollte unbedingt nach Robben Island, wo Mandela einst inhaftiert war. Normalerweise darf man nicht in die Zelle, aber ich konnte den Schlüssel organisieren. Ich riet ihm: Geh’ mal rein und bleib ein bisschen drin. Als er nach einer Weile wieder rauskam, wirkte er verändert, sehr emotional. Eine berührende Erfahrung.

Können Sie sich vorstellen, dass sich Südafrika auch um die Olympischen Spiele bewerben wird?


Wenn wir eine gute WM veranstalten, warum nicht? Das Internationale Olympische Komitee trifft sich im Juli 2011 in Durban, das werte ich als hoffnungsvolles Zeichen.

Am 27. September wählt die Safa einen neuen Vorstand. Molefi Oliphant wird nicht erneut kandidieren. Also kommen eigentlich nur Sie oder Irvin Khoza infrage.

Auch in Deutschland wurde Gerhard Mayer-Vorfelder kurz vor der WM von Theo Zwanziger abgelöst, ohne dass es Probleme gab. Mein erster Gedanke war: Lasst uns die Wahl verschieben, aber da müssen wir jetzt auch noch durch … So, jetzt muss ich los, und Sie schreiben bitte Ihre positiven Geschichten!

Esther Kogelboom

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