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Sport: Vom Neid zum Hass

Wie Aufsteiger Hoffenheim und sein Mäzen Dietmar Hopp in der Zweiten Liga die Gemüter bewegen

Das Spiel ist längst vorbei, da begehrt der alte Fußball noch einmal auf. Der alte Fußball, das sind am Freitagabend in Aachen elf junge Burschen. Ihre Alemannia hat in der Zweiten Liga 2:2 gegen die Neureichen aus Hoffenheim gespielt. Jetzt stehen die Jungs auf dem Parkplatz vor dem Tivoli-Stadion, sie halten ein Transparent, es ist so lang, dass der Fotograf drei Aufnahmen machen muss, um die komplette Botschaft einzufangen: „Hoppenheim: Seelenverkauf aus Profitgier.“

Das ist doch mal eine originelle Note im Streit um den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp. Bisher hat man dem Software-Milliardär immer vorgeworfen, er verpulvere sein im Überfluss vorhandenes Geld, um Hoffenheim im Gewaltmarsch in die Bundesliga zu bringen. Dieses Geschäftsmodell mache seriöses Wirtschaften überflüssig. Zuletzt hat Christian Heidel vom Konkurrenzunternehmen Mainz 05 den Hoffenheimer Wettbewerbsvorteil mit den Worten kritisiert: „Schade, dass so eine Mannschaft einen der 36 Plätze im Profifußball wegnimmt.“

In Hoffenheim sagen sie über ihren potenten Chef, er sei immer authentisch, manchmal vielleicht ein wenig zu impulsiv. Also schrieb Dietmar Hopp einen impulsiven Brief an die Deutsche Fußball- Liga und forderte diese auf, „die Diskriminierung, wie sie Herr Heidel betreibt, mit der gleichen Konsequenz zu verfolgen“ wie rassistische Tendenzen. Denn „diese infame Diffamierung unseres Clubs, die wohl bewusst den Hass auf Hoffenheim schüren soll, ist auch geeignet, Gewalt gegen uns auszulösen“. Als am vergangenen Freitag Kaiserslauterer Fans in Hoffenheim randalierten und Hopp indirekt die Kritik aus Mainz dafür verantwortlich machte, da hatte der deutsche Fußball mal wieder einen kleinen Skandal.

Obwohl sich die Herren inzwischen ausgesprochen haben, mochte Dietmar Hopp die Reise nach Aachen nicht antreten. Dem Tagesspiegel teilte er per E-Mail mit: „Ich muss zugeben, dass ich überrascht bin über das Ausmaß von Hass, dessen Ursprung wohl im Neid zu suchen ist.“ Neid auf das viele Geld. Acht Millionen Euro hat Hoffenheim für den 20-jährigen Brasilianer Carlos Eduardo bezahlt, sechs Millionen für den Nigerianer Obasi Edu (21), vier Millionen für den Senegalesen Demba Ba (22). Allein für diese drei Transfers gab Hoffenheim mehr aus als alle 17 anderen Zweitligisten für ihre Neuverpflichtungen zusammen. Und weil das alles binnen weniger Tagen geschah und der Aufsteiger gerade auf einem Abstiegsplatz stand, schrieben die Zeitungen von Kaufrausch und dass Hoffenheim sich verabschiedet habe von seinem ursprünglichen Ausbildungsprojekt. „Scheiß Millionäre!“, brüllen die Aachener Fans, und: „Ihr macht unseren Sport kaputt!“

Jan Schindelmeiser erträgt die Schmährufe mit Gleichmut, „da hören wir gar nicht mehr hin“, sagt der Hoffenheimer Manager. „Wissen Sie, wenn wir wirklich mit Gewalt in die Bundesliga wollten, hätten wir keine Zwanzigjährigen verpflichtet, sondern erfahrene Spieler. Und glauben Sie wirklich, das war eine Panik-Aktion? Wer sich nur ein bisschen im Fußball auskennt weiß, dass so etwas nie funktionieren kann.“ An Carlos Eduardo etwa sei Hoffenheim seit Februar dran gewesen. „Hätten wir ihn im Sommer gekauft, wäre er viel teurer gewesen.“

Mancher Bundesligaklub hätte den Brasilianer gern geholt, aber über die Konkurrenz mag Schindelmeiser sich nicht äußern, „das wäre schlechter Stil“. Er ärgert sich nur, „wenn falsche Dinge über uns verbreitet werden“. Der Nachwuchskoordinator des VB Stuttgart etwa habe gesagt, Hoffenheim würde schon junge Spieler mit Geld zuschütten. „Das müssen die natürlich sagen, wenn ihnen ein Verein wie Hoffenheim vielversprechende Talente wegschnappt“, sagt Schindelmeiser und dass er gern bereit sei, mal die Angebote vorzulegen, die Klubs wie Stuttgart machen. Er habe sich von den Eltern mancher Spieler die Vertragsentwürfe zeigen lassen, „auch aus Stuttgart, die bieten doppelt so viel wie wir“.

Auch der kleine Carlos Eduardo könnte mit seinem kindlichen Gewicht noch als Jugendspieler durchgehen. Er sitzt in Aachen auf der Bank. Für ihn spielt der frühere Alemanne Vedad Ibisevic, der ein paar Wochen vor Saisonbeginn direkt aus dem Aachener Trainingsquartier nach Hoffenheim gewechselt war. Trainer Guido Buchwald hatte sich damals beschwert über mangelnden Stil. Schindelmeiser lacht. „Wenn ein Spieler in seinem Vertrag einen Passus hat, der ihm einen Wechsel bis zum 15. Juli erlaubt, muss ich damit rechnen, dass er diesen Passus auch in Anspruch nimmt.“ Aachens Fans begrüßen Ibisevic mit der Folklore des alten Fußballs: „Hurensohn!“

Der Tivoli steht mit seiner Mischung aus begeisternder Stimmung und mangelndem Komfort wie kein zweites Stadion in Deutschland für den alten Fußball. Die Gäste aus Hoffenheim erinnern in ihren blau-weißen Trikots ein wenig an den FC Chelsea des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch, mit dem Dietmar Hopp so oft verglichen wird. Chelsea ist, trotz aller Anfeindungen, ein populärer Klub. Hoffenheim hat an diesem kalten Freitagabend gerade 50 Fans mitgebracht. „Zehn Millionen, aber keine Fans“, singen die Aachener.

Hoffenheim tritt aufreizend lässig auf, mit Hackentricks und Sohlengeschiebe. Der alte Fußball aber will nicht kampflos abtreten. Aachen grätscht, immer wieder wird der Ball nach vorn gedroschen, und als die Hoffenheimer merken, wie ernst es dem alten Fußball ist, liegen sie 0:2 zurück. Eine halbe Stunde vor Schluss wechselt Trainer Ralf Rangnick den kleinen Carlos Eduardo ein, und auf einmal strahlt die Schönheit des neuen Fußballs. Hoffenheim schießt zwei Tore, es hätten auch fünf sein können.

Aachens Trainer Buchwald, als Spieler einst ein würdiger Repräsentant des alten Fußballs, erzählt nach dem Spiel stolz, seine braven Kämpfer hätten „alles gezeigt, was den Fußball so schön mache“. Draußen warten immer noch die elf jungen Repräsentanten des alten Fußballs mit ihrem Transparent, das so lang ist, dass der Fotograf dreimal auf den Auslöser drücken muss. Um kurz vor neun kommt der Hoffenheimer Mannschaftsbus, er fährt ganz dicht heran an die Jungs. Die Spieler schauen aus dem Fenster, lachende Gesichter sind zu sehen. Zum Abschied winkt der Hoffenheimer Kapitän Francisco Copado den Fans zu. „Du Arschloch!“, ruft einer zurück, aber da ist der Bus schon weg.

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