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Sport: Gefallene Helden

Die Griechen verdammen ihre des Dopings verdächtigten Sprinter – heute entscheidet das IOC

Wenn in griechischen Schulen der Geschichtsunterricht auf dem Stundenplan steht, dann lernen die kleinen Griechen immer ganz besonders viel über die Antike. Die Liste ihrer Leistungen soll sie stolz und nationalbewusst machen: die Olympischen Spiele zum Leben erweckt, der Welt die Gesetzgebung und die Demokratie geschenkt, große Feldherren, Dichter und Staatsmänner hervorgebracht. Und das ganze schöne Bild wird dann mythologisch garniert mit den Taten des Herakles und den Irrfahrten des Odysseus, in denen es von Zyklopen und Meeresungeheuern nur so wimmelt.

Diese Art von Unterricht prägt, das lässt sich in diesen Tagen sehr schön am Umgang mit dem Dopingskandal um die Nationalhelden Konstantin Kenteris und Ekaterini Thanou verfolgen. Früher sprachen die griechischen Journalisten wegen des im Land stark ausgeprägten Nationalstolzes über die diversen Seltsamkeiten, die sich die beiden Sprinter leisteten. Geschrieben haben sie darüber keine Zeile.

Jetzt aber ist die gesamte Weltpresse anwesend, die frühere Zurückhaltung scheint den Schreibern inzwischen komplett fehl am Platz. Also werden die Starsprinter, die erst einem unangekündigten Dopingtest fernblieben, anschließend in einen mysteriösen Unfall verwickelt worden sein sollen und am Tag vor ihrer Anhörung bei der Disziplinarkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ihre Unschuld beteuerten, von den Zeitungen in Schutt und Asche gelegt.

Die schönsten und griechischsten Sätze hat sich dabei das Blatt „Éthnos“ einfallen lassen. „Die beiden Kinder des Windes haben einen Sturm entfacht“, philosophiert die Zeitung. „Aber das Gold, das die Griechen von Kenteris und Thanou erwartet hatten, erwies sich als Gift.“ Etwas einfacher formuliert „To Víma“ die Folgen der erneuten undurchschaubaren Ereignisse rund um die Topstars. „Ein Thriller, der das Land erschüttert“, kommentiert die Zeitung. Ganz schmerzlos geht das Sportblatt „To Fós“ mit den gestürzten Heroen in Laufschuhen um: „Raus!“ Auch Staatspräsident Konstantinos Stefanopoulos fällte sein Urteil bereits: „Es ist eine Schande für Griechenland.“

Am Samstag war das Nationale Olympische Komitee Griechenlands zur Beratung zusammengekommen, um nach, wie es heißt, „sehr hitzigen“ Verhandlungen, Kenteris und Thanou mit 5:1 Stimmen aus dem Olympia-Team zu suspendieren.

IOC-Mitglied Lamvis Nikolaou, der die einzige Gegenstimme abgegeben hatte, war mit der Entscheidung extrem unglücklich und sagte öffentlich: „Meine Ansicht war, dass wir den beiden ihre Akkreditierungen sofort abnehmen und nicht auf die IOC-Entscheidung hätten warten sollen.“ Thomas Bach, Vorsitzender der Disziplinarkommission, ist sich mit seinen Kollegen im IOC freilich darüber im Klaren, dass die Unschuldsvermutung auch in diesem Fall so lange gilt, bis Kenteris und Thanou eines Dopingverstoßes juristisch wasserdicht überführt sind. Zur Anhörung müssen die beiden zwar nicht persönlich erscheinen, dennoch gelte: „Jeder Athlet, dem ein entsprechender Vorwurf gemacht wird, hat das Recht, gehört zu werden. Das ist ein Menschenrecht.“ Bach rechnet damit, „dass die Entscheidung am Montag fällt“.

Ausgesprochen froh über die Entscheidung der Griechen ist Roland Baar: „Sehr richtig“ sei die gewesen, sagt das deutsche Mitglied in der Athletenkommission des IOC. „Die entscheidende Frage ist jetzt, ob die beiden noch bestraft werden können. Ich würde das befürworten.“ Die Mehrheit der Griechen inzwischen vermutlich auch. Noch muss sich die neue Gefühlslage gegenüber den Ex-Helden allerdings im Land verbreiten. Das riesige Plakat von Konstantin Kenteris an der Kifissias Avenue Nummer 44 direkt am Olympiagelände jedenfalls war gestern Nachmittag noch nicht abgehängt.

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