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Sport: Geist sucht Körper

Wie Deutschlands Fußballer in Winden Kraft finden

Winden – Auf der Innenseite der dunkelgrünen Abdeckplanen hängt ein großes Plakat mit der Aufschrift „Der Weg zum Vizeweltmeister 2002 begann in Winden im Elztal“. Die Elz ist plätschert hier in Hörweite zum Trainingsplatz der deutschen Fußball-Nationalmannschaft vor sich hin. An ihrem Ufer nahm vor zwei Jahren eine Entwicklung ihren Anfang, die bei der WM in Asien erst im Finale ihr Ende fand. Deutschland wurde Zweiter. Damals war Teamchef Rudi Völler mit seiner Mannschaft für sechs Tage in den Schwarzwald gereist. Diesmal, kurz vor der Europameisterschaft, hat sie sich für die doppelt so lange Zeit im Elztal-Hotel Schwarzbauernhof eingemietet. Und da, wie Völler sagt, „bei uns Fußballern auch immer ein bisschen Aberglaube dabei ist“, soll der gute Geist von Winden auch diesmal in die Körper fahren, auf dass das Team in Portugal erfolgreich sei.

Für Erfolge in der deutschen Fußball-Geschichte stehen auch andere Orte wie zum Beispiel Spiez 1954 oder Malente 1974, 1986 und 1994. Und nun also Winden, wo die 3000 Bewohner einen beschaulichen Rhythmus leben. Die Nationalspieler schätzen das Dörfchen. Fredi Bobic, Herthas glückloser Stürmer, „kann die ganze Saison und den Klub einfach vergessen und mich auf die EM freuen“. Torwart Oliver Kahn, dessen Wechselgerüchte sich hartnäckig halten, findet: „In dieser traumhaften Atmosphäre fällt es einem leicht, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.“ Das hört sich zwar schon fast wie ein endgültiger Abschied aus München an, aber Kahn will eigentlich nur gesagt haben, „dass ich mich nun auf das Wesentliche konzentrieren kann, und das ist nun mal die EM“.

Winden steht aber nicht nur für Ruhe und Abgeschiedenheit, sondern auch für Völlers Philosophie der Spielerführung. Völler sagt, „meine Spieler sind erwachsen, die wissen, was sie wollen. Und so leben sie auch.“ Dies hat den Teamchef auch dazu veranlasst, den berüchtigten Zapfenstreich abzuschaffen. Früher sind die Spieler vor lauter Abschottung nachts über Zäune geklettert und haben die Gegend unsicher gemacht, heute lässt Völler mehr Raum, und die Spieler danken es ihm mit Eigenverantwortlichkeit. „Diese Quälerei gibt es nicht mehr“, sagt Völler. Der eine Spieler möchte noch lesen, ein anderer etwas länger fernsehen. Völler weiß aus eigener Erfahrung, dass es für die Spieler Phasen gibt, die „nicht so spannend sind“. Wichtig sei ihm daher nur, „dass abends alle im Hotel sind“.

Und so ist schon mal etwas Unterhaltung drin. Einige Spieler sahen sich im Kino „The day after tomorrow“ an, Dietmar Hamann und Jens Jeremies zog es auf die Pferderennbahn zum Wetten. Jens Lehmann, Christian Wörns und Sebastian Kehl begaben sich nicht nur zu Trainingszwecken ins Fitnesscenter der Nachbargemeinde Waldkirch. Der Ladenbesitzer verriet, dass die Nationalspieler ihn gefragt hätten, wo die nächste Eisdiele sei.

Rudi Völler weiß aus eigener Turniererfahrung, wie wichtig es ist, seine Jungs bei Laune zu halten. Wo die Stimmung gut ist, kann ein gemeinsamer Geist entstehen. Und wenn das Team erfolgreich ist, dann wird der Geist von Winden dafür verantwortlich sein.

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