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Er lässt es am Tisch gerne krachen. Mit seinem Spielstil ist Dimitrij Ovtcharov den Chinesen näher als sein Freund und Nationalmannschaftskollege Timo Boll.

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German Open in Berlin: Dimitrij Ovtcharov: Schlagende Argumente

Nach Olympia-Bronze und dem Europameistertitel ist Dimitrij Ovtcharov die neue Nummer eins im deutschen Tischtennis. Bei den German Open in Berlin greift der 25-Jährige mit Olympiasieger Zhang Jike den weltbesten Spieler an.

Auf den Gegner, mit Gebrüll! An der Tischtennisplatte mag es Dimitrij Ovtcharov laut, er schreit seine Anspannung heraus, und je stärker er sich anfeuert, desto besser rollt sein Spiel. Bei den German Open, die seit Mittwoch in der Max-Schmeling-Halle laufen, und bei denen Ovtcharov am Freitag im Einzel in den Wettbewerb einsteigt, wird man ihn nicht lange suchen müssen. Da, wo es am lautesten ist, spielt er.

Seine Ballwechsel sind oft zum Schreien spektakulär, mit Wucht lässt er die Bälle auf die gegnerische Hälfte krachen. Dagegen wissen sich immer weniger Spieler zu wehren. Nach seiner Bronzemedaille im Einzel bei den Olympischen Spielen in London und seinem Europameistertitel im Oktober führt die Weltrangliste den 25-Jährigen nun erstmals als besten deutschen Spieler. Als Fünftplatzierter hat er Timo Boll einen Platz hinter sich gelassen – eine Zäsur nach zwölf Jahren Regentschaft von Boll.

Es passt gut, dass die German Open das erste Turnier mit den neuen Verhältnissen sind, an dem beide teilnehmen. Im vergangenen Jahr hatte Ovtcharov Boll im Finale der German Open besiegt und das Kommende damit angedeutet. „Gegen Timo im Finale zu gewinnen, war wirklich etwas ganz Besonderes“, erzählt Ovtcharov mit eher leiser Stimme, und es klingt, als spreche er von einem Vorbild. „Mittlerweile sind wir ungefähr auf einem Niveau“, sagt Ovtcharov.

Rivalen werden sie nicht mehr. In Bolls Haus ist regelmäßig ein Gästebett für Ovtcharov bezogen. Die beiden haben sich oft gemeinsam auf große Meisterschaften vorbereitet. Sie sind miteinander befreundet und bilden eine Doppelspitze im deutschen Tischtennis, um vielleicht doch noch mal den übermächtigen Chinesen nach mehr als zehn Jahren einen Titel abzustreiten. In Berlin können sie erst einmal den weltbesten Spieler herausfordern, Olympiasieger Zhang Jike.

Ausgebildet wurden die beiden Einzelkinder Boll und Ovtcharov mit einem eigenen Modell. Für Boll zog eine ganze Bundesligamannschaft in seinen Ort in den Odenwald, um mit ihm zu trainieren. Ovtcharov wurde seit dem siebten Lebensjahr von seinem Vater Mikhail Ovtcharov trainiert, einem ehemaligen sowjetischen Meister, der mit seiner Familie nach Hameln gezogen war, als sein Sohn vier Jahre alt war. „Alles, was vom Band kommt, kann eine gute Qualität haben, aber es ist gleich. Alles, was von Hand gefertigt ist, ist etwas Besonderes. Und Tischtennis ist eine sehr individuelle Sportart“, sagt Mikhail Ovtcharov. Auch die besten Chinesen hätten schließlich alle ihre Privattrainer.

Hatte Timo Boll 2003 sogar die Spitze der Weltrangliste mit einem neuen, auf Rotation ausgelegten Spielstil erobert, kommt Ovtcharov nun mit seiner eigenen Stärke: Härte. Wohl kein europäischer Spieler schlägt den Ball so fest übers Netz wie er, lässt dem Gegner so wenig Zeit zum Reagieren, vor allem mit seiner Rückhand schlägt er gewaltig auf den Ball ein.

Je näher Dimitrij Ovtcharov den Chinesen kommt, desto weniger schaut er zu ihnen auf.

Boll spielt mit dem, was ihm sein Gegner anbietet, Ovtcharov versucht, seine Gegner zu dominieren. Die Unterschiede zwischen Boll und Ovtcharov sind am Tisch zu sehen und zu hören, der eine ist leise, der andere laut, der eine spielt eleganter, der andere brachialer. „Timo hat die Begabung, ich die Schläge“, so kam Ovtcharov die Gegenüberstellung der beiden vor. Und während Bewegungstalent Boll in seiner Schülerzeit auch ein guter Fußballer war, räumt Ovtcharov ein, beim Fußball nicht die beste Figur abzugeben.

Doch den Tischtennisball lässt er gerade so fliegen, wie es ihm gefällt. „Mein Ziel ist es, irgendwann nach Timo der zweite Deutsche zu sein, der die Weltrangliste anführt“, sagt er. Vielleicht schafft Ovtcharov das, was Boll verwehrt blieb: Den Olympiasieg hat er sich jedenfalls vorgenommen. Je näher er den Chinesen kommt, desto weniger schaut er zu ihnen auf. Im Sommer hat er drei Wochen in China gespielt und festgestellt: „Sie haben kein Geheimnis. Sie trainieren sehr einfach und genau, aber sehr gewissenhaft. “ Eigentlich wie er.

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